Henry haut ab: Roman (German Edition)
meine Mädchen sind, und Henry ist mit dem Wagen weg, und ich habe kein Geld … Wir hätten niemals herkommen sollen.«
»Gut, ich leihe Ihnen genug aus der Haushaltskasse, um das Taxi zu bezahlen, aber das werde ich Ihrer Ladyschaft sagen müssen. Sie wird es vielleicht von den Einkünften dieses Monats absetzen wollen.« Eva schluchzte noch einmal laut auf, so dass Mrs. Bale ein noch schlechteres Gewissen bekam, weil sie sie wegen Lady Clarissa und Wilt belogen hatte. »Machen Sie sich mal keine Sorgen, das kommt schon alles wieder in Ordnung. Wir zwei essen jetzt erst mal etwas. Ich habe noch eine Pastete, die muss man nur aufwärmen, und nach einem Schlückchen Gin und Tonic fühlen Sie sich gleich besser. So würde es mir jedenfalls gehen.«
Nachdem sie den Fahrer bezahlt hatte, ließ Eva sich von Mrs. Bale zu einem Stuhl führen und genoss ausnahmsweise den extrem starken Gin mit einem Minimum Tonic darin, der ihr Gericht wurde. Tatsächlich trank sie sogar drei hintereinander, woraufhin sie sich entschieden besser fühlte. So viel besser, dass sie das Verschwinden der Mädchen ganz vergaß und sich nach oben in Wilts Zimmer führen ließ, wo sie sofort in tiefen Schlaf fiel.
In seinem Arbeitszimmer war Sir George immer noch ungeheuer wütend. Auf dem Rückweg zur Hall hatte er beschlossen, dass sein heftiger Streit mit Clarissa auf dem Friedhof im Haus etwas würdiger wieder aufgenommen werden sollte. Er wollte nicht, dass Mrs. Bale ihn herumbrüllen hörte, also wartete er, bis seine Frau ihn eingeholt hatte, und schloss dann die Tür hinter ihnen ab. Clarissa bestand weiterhin darauf, dass ihr Onkel jetzt ebenfalls ein Verwandter war, weil sie in die Gadsley-Familie eingeheiratet hatte, während Sir George auf dem Gegenteil beharrte.
»George, ich wollte es ja erst gar nicht ansprechen, aber du bist so schrecklich, du zwingst mich dazu. Mrs. Bale hat gesagt, du bist selbst auch gar kein Gadsley.«
»Blanker Unsinn!«, brüllte Sir George sie an und vergaß, seine Stimme zu dämpfen. »Für diese Unverschämtheit schmeiße ich die blöde Kuh raus! Ich bin mehr ein Gadsley, als es die Gadsleys je waren.«
Clarissa fragte sich zwar, was er damit meinte, doch bevor sie ihn fragen konnte, machte er schon weiter.
»Ich kenne die Familiengeschichte besser als jeder andere. Frag mich was. Na los, frag mich was.«
»Ich will dich aber gar nichts fragen, du dummer, schrecklicher Kerl.«
»Gut, dann erzähl ich’s dir eben. Ich sage dir alles, was du über den Friedhof wissen willst, auf dem du deinen Onkel begraben willst. Er wurde nach der Schlacht von Hastings von einem Gadsley-Blisett angelegt und war immer geheim und nicht öffentlich, damit die Normannen ihn nicht entweihen konnten, indem sie ihre eigenen Toten darin begruben. Und er wird auch jetzt nicht entweiht werden!« Wütend starrte er seine Frau an. »Er ist seit damals immer geheim geblieben. Ja, sogar die Grabsteine wurden immer flach auf den Erdboden gelegt, damit man nicht sofort sehen konnte, dass darunter jemand begraben lag – ein kleines Detail, dass dir selbst hätte auffallen können, wenn du nicht so versessen darauf gewesen wärest, mich zu ärgern.«
»Und was ist mit der Kapelle? Ist das geweihter Boden?« Lady Clarissa dachte, sie könnten vielleicht zumindest ein vernünftiges Gespräch führen, wenn es ihr gelang, ihn zu beruhigen.
»Heute natürlich nicht mehr, aber damals schon, als sie im 16. Jahrhundert erbaut wurde. Heute ist sie eher schmückendes Beiwerk, aber sie wird von der Familie als angemessener Bestattungsort anerkannt.«
Das erinnerte ihn an ihr ursprüngliches Streitthema, und er hieb so laut mit der Faust auf den Tisch, dass Mrs. Bale zum Arbeitszimmer eilte, weil sie dachte, sie sei gerufen worden. Ein peinlich berührter Sir George öffnete ihr die Tür und behauptete, einen wichtigen und vertraulichen Anruf tätigen zu müssen, bei dem er sie zum Mitschreiben brauchte. Nachdem er Clarissa hinausgescheucht hatte, rief er unverzüglich die Auskunft an. Nachdem er durchgekommen war, ließ er den Hörer auf dem Tisch liegen und schenkte sich einen großen Brandy ein, bevor er den Hörer wieder zur Hand nahm und mit seinem nicht existenten Finanzberater ein einseitiges Gespräch über Aktien begann. Schließlich legte er auf, entließ eine verwunderte Mrs. Bale und schenkte sich einen weiteren Brandy ein.
Er hätte noch einige mehr gebraucht, wenn er gewusst hätte, was die Viererbande draußen im
Weitere Kostenlose Bücher