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Hera Lind

Hera Lind

Titel: Hera Lind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Männer sind wie Schuhe
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murmelte ich verzagt.
    Wir beleuchteten das Thema von allen Seiten und kamen keinen Schritt weiter. Der Weg war so steil! Keuchend blieben wir stehen, um wieder zu Atem zu kommen. Plötzlich blieb mein Blick an einem merkwürdigen Baum hängen. Das heißt, eigentlich waren es zwei Bäume, die so dicht zusammenstanden, dass sie wie einer aussahen. Beide waren schlank und groß gewachsen, beide strebten himmelwärts. War das ein Zeichen, ein Wink des Schicksals? So würde mein Leben mit Christian aussehen.
    Christian betrachtete den Zwillingsbaum ebenfalls. Er zog sein Taschenmesser hervor und ritzte unsere Initialen in die Stämme. Ein LT in den rechten und ein CM in den linken. »Was auch immer passiert«, sagte er, während er schnitzte. »Eines Tages werden wir hier stehen und mehr wissen als heute. So, aber jetzt lade ich dich auf ein Bier ein!«
    Er legte den Arm um mich und führte mich die letzten Meter hinauf. Dort oben, auf dem Gipfel unserer Ratlosigkeit, dort, wo ich es nie vermutet hätte, stand ein kleines, verwunschenes Schloss. Es hieß Franziskischlössl und hatte eine warme, behagliche Gaststube. Eine blonde Frau im Dirndl bediente uns freundlich. Wir tranken jeder ein Bier und aßen dazu die köstlichsten Kartoffelgröstl. So könnte es immer sein!, dachte ich. Mein Handy lag neben meinem Teller. Verstohlen schielte ich danach. Aber es blieb ausnahmsweise stumm.

ANITA
    Ich war fassungslos. Ich hatte alles mit mir machen lassen, war zum Spielball dieser Leute geworden. Ich hatte sie in mein Haus, in mein Leben, in meine Ehe gelassen. Obwohl ich erwachsen war, hatte ich mich wie ein Kind manipulieren lassen: Sie hatten mir Getränke eingeflößt, die ich nicht wollte. Sie hatten mich in eine Scheidung gedrängt, die ich nicht wollte. Sie hatten mein Haus umgestaltet und mich zu einem aberwitzigen Fotoshooting überredet. Sie hatten ihren Spaß gehabt. Auf meine Kosten, was schlimm genug war. Aber jetzt nicht noch auf Kosten meiner Töchter! Auf einmal war Schluss mit lustig. Ich entwickelte ungeahnte Kräfte und musste mich kein bisschen überwinden, schnurstracks zur Polizei zu marschieren. Dort erzählte ich einer Beamtin, was passiert war. Auf ihre Frage, ob ich Anzeige erstatten wolle, sagte ich entschlossen Ja. Noch am selben Abend fuhr ein Polizeiauto bei unseren Nachbarn vor, und ich konnte von meinem Fenster aus sehen, dass dort erhitzte Debatten geführt wurden. Die Polizistin hielt Wolfgang Kobalik die von mir unterschriebene Anzeige unter die Nase. Ursula Kobalik schrie und heulte und verpasste ihrem Mann eine saftige Ohrfeige. Kurz darauf fuhren die Polizisten mit Wolfgang Kobalik weg.
    Ich wartete, ob Ursula herüberkommen und »der Lauser« sagen würde, aber sie tat es nicht. Sie kam nicht selbstverständlich in mein Haus, öffnete nicht meinen Kühlschrank und bot mir keinen Champagner aus meinen eigenen Beständen an. Mit dieser Aktion hatte ich mir offenbar Respekt verschafft. Ich hatte mich gewehrt. Ich hatte Grenzen gesetzt. Und es funktionierte! Ich war selbst ganz verblüfft.
    Nur eines wusste ich: Ich wollte nicht mehr hier wohnen. Diesen Nachbarn wollte ich nie mehr begegnen. Deshalb machte mir der Gedanke, das Haus zu verlieren, auf einmal gar nicht mehr solche Angst. Jetzt, wo Christian arbeitslos war, konnte er den Privatkredit, den uns die Kobaliks beim Kauf aufgenötigt hatten, nicht mehr zurückzahlen. Und dann waren da noch die horrenden Kosten für den Scheidungsanwalt. Es war also nur eine Frage der Zeit, bis ich es den Kobaliks überschreiben musste.
    Als Grazia und Gloria nach Hause kamen, fanden sie eine sehr willensstarke Mutter vor. Ich würde mein Leben ändern, würde es endlich wieder selbst in die Hand nehmen! Ich hatte gerade mal die Hälfte hinter mir. Das konnte doch nicht alles gewesen sein! Was nutzten mir Schönheit, Geld und Villa, wenn mein Kopf und mein Herz leer waren? Wenn Menschen wie die Kobaliks diese Leere für ihre Zwecke missbrauchten? Wie hatte das bloß alles passieren können? Den ganzen Tag über hatte ich nachgedacht. Und zum ersten Mal keinen Tropfen Alkohol angerührt.
    Vielleicht lag es daran, dass ich noch nie im Leben hatte kämpfen müssen. Mir war bisher immer alles in den Schoß gefallen: Meine Eltern hatten mich nach Strich und Faden verwöhnt. Ich war immer hübsch gewesen. Christian hatte mich auf Händen getragen, mir alle Sorgen abgenommen. Langsam war ich zu einem Püppchen geworden. Zu einem Püppchen, mit dem man nach

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