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Hera Lind

Hera Lind

Titel: Hera Lind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Männer sind wie Schuhe
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ein, dass ich MAGGI an die teure Weihnachtsgans tue! Aber meine Tochter ist ja größenwahnsinnig. Dabei müsste sie eigentlich wissen, wo sie hingehört. Spätestens wenn sie verheiratet ist und Kinder hat. Aber Lotta kann ja noch nicht mal diese Reihenfolge einhalten!«
    »Ja, was ist jetzt eigentlich mit eurer versprochenen Verlobung?« Opa Walter klopfte mir gönnerhaft auf die Wange. »Ich war gestern extra dafür im Konzert! Gell, Jürgilein?« Er klopfte seinem Sohn ebenso gönnerhaft auf die Wange. »Da hast du mir ja leere Versprechungen gemacht!«
    »Lotta, kommst du mal kurz mit mir nach draußen?« Jürgen klappte seinen Laptop zu und nahm die Brille ab. In seinen Augen stand das blanke Entsetzen.

ANITA
    Es war kurz nach zehn, als Christian von seinem Weihnachtsoratorium nach Hause kam. Ich hatte vor Stunden mit den Mädchen allein gegessen, meine Gans war mir hervorragend gelungen, aber außer Gloria wollte niemand etwas davon probieren. Grazia war gerade auf Grapefruit-Diät, und ich hatte einfach keinen großen Appetit. Nach der Bescherung waren beide Mädchen zu ihren jeweiligen Clubs aufgebrochen, um ihre Freunde zu treffen. Ich hatte dem Rotwein zugesprochen und mich durch das langweilige Fernsehprogramm gezappt. Erst dabei wurde mir klar, wie alt und einsam ich schon sein musste. Frauen über vierzig sind unsichtbar, hatte mir mal eine Freundin gesagt. Ich stand also kurz davor, unsichtbar zu werden! Ach, darüber wollte ich heute nicht mehr nachdenken. Ich kämpfte schon mit dem Schlaf, als mein Mann im Wohnzimmer stand.
    »Merry Christmas, Anita!«, sagte er fröhlich, als er mich allein vor dem Kamin sitzen sah. »Jetzt habe ich eine knappe Stunde Zeit, bevor ich zur Christmette muss.«
    »Ich wollte gerade ins Bett.« Ich erhob mich leicht schwankend. »Gans steht im Kühlschrank. Die kannst du dir in der Mikrowelle warm machen.«
    »Ach, komm schon, Anita!« Christian zog den Mantel aus und legte seinen Flötenkasten auf den Flügel. Er streckte seine Hände nach mir aus und versuchte, mich wieder in den Sessel zu drücken. »Setz dich doch noch kurz zu mir!«
    »Ich bin müde.«
    Warum hatte ich nur keine Lust, ihm Gesellschaft zu leisten? Waren wir uns wirklich schon so fremd geworden? Früher hatte ich mich doch immer so auf ihn gefreut! Ja, achtzehn Jahre mit einem Berufsmusiker können einen ganz schön desillusionieren. Berufsmusiker kommen und gehen zu den unmöglichsten Zeiten. Wenn man gerade rechtschaffen müde ist und nichts anderes will, als sich die Decke über die Ohren ziehen, kommen sie aufgekratzt nach Hause. Aber morgens, wenn man frühstückt, liegen sie noch scheintot im Bett. Ich hatte es nie geschafft, mich seinem Rhythmus anzupassen – wie denn auch, solange die Kinder früh aufstehen mussten! Jetzt allerdings war Heiligabend. Und morgen konnten wir ausschlafen. Seufzend raffte ich mich auf und folgte ihm in die Küche.
    »Soll ich dir was von dem Gänsebraten warm machen?«
    »Nein, ich mach das schon. Setz dich einfach hierher und erzähl mir was.« Christian machte sich bereits pfeifend an Kühlschrank und Herd zu schaffen. Es war »Herrscher des Himmels, erhöre das Lallen« aus Bachs Weihnachtsoratorium und passte hervorragend zu meiner Verfassung. Christian schenkte mir ein weiteres Glas Wein ein und sich selbst auch eines. »Prost, meine wunderschöne Frau!«
    »Prost. Frohe Weihnachten.« Das klang richtig verbittert. Ich war nur einfach so oft allein! Wieder hörte ich, wie Ursula Kobalik sagte: »Na, wo treibta sich denn wieder rum, der Lauser? Lässta seine schöne Frau alleene?«
    »Gehst du mir fremd, Christian?« So, jetzt war es heraus. Ich fuhr mir nervös durch die Haare.
    Christian stellte abrupt das Glas ab und sah mich an.
    »Wie kommst du denn darauf?« Er klang aufrichtig entsetzt.
    »Ich weiß nicht«, krächzte ich verlegen. »Du bist nie da, vielleicht gibt es längst eine andere.« Ich verschränkte abwartend die Arme. »Und wenn du mal auftauchst, musst du gleich wieder weg. Vielleicht bin ich nicht mehr attraktiv genug für dich.« Ich versuchte das möglichst sachlich zu sagen, aber meine Stimme klang wackeliger als beabsichtigt. Vielleicht waren das schon die Wechseljahre, die mir diese merkwürdigen Stimmungsschwankungen bescherten. Meine Mädchen waren von Hormonen gebeutelt, vielleicht war ich das ja auch? Vielleicht war ich auf dem besten Wege zu vertrocknen? Wenn ich ehrlich war: Ich hatte gar kein Bedürfnis mehr, mit Christian zu

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