Hera Lind
abgekartetes Spiel. Man gab sich gegenseitig das Stichwort. Ich würde einfach gar nichts mehr sagen. Sollten sie ihre komische Nummer doch allein aufführen. Unauffällig suchte ich nach der Kamera, die die beiden Spaßvögel vielleicht hatten installieren lassen. Silvester würden sie uns das womöglich auf ihrer Party vorspielen und sich dabei auf unsere Kosten kaputtlachen.
»Wolfjang, mach du det.« Ursula überreichte ihm mit großer Geste den Hörer.
»Also, was wollen Sie wissen?«, stellte sich Wolfgang ahnungslos. »Wie können wir die Situation entspannen?« Er tat total männlich-diplomatisch, so als ginge es mindestens um den Weltfrieden. Er sprach sofort wieder Hochdeutsch.
Aha, dachte ich. Sie zögern es heraus, um die Spannung zu steigern. Das war die Rache für meinen Trick siebzehn. Jetzt verarschten sie MICH.
Der besorgte Herr Immekeppel aus Heilewelt wiederholte sein Anliegen: Er wolle Informationen über Christian Meran, um ihn seiner Lebensgefährtin auszureden. »Der Mann muss doch auch Schwächen haben! Ich weiß, dass er gut aussieht. Aber ist er vorbestraft? Oder wenigstens verschuldet? Ich will sie ja nur beschützen! Sie ist so naiv, dass sie auf jeden Weiberhelden reinfällt, der ihr ein Bier reicht und schöne Augen macht!«
»Na jaaaaa!«, sagte Wolfgang Kobalik hochzufrieden. »Also grundsolide ist er natürlich nicht. Alkohol ist bei Berufsmusikern immer im Spiel. Da hat er Ihre Frau also gefügig gemacht. Hm, det is ja ’n Ding.«
Endlich hatte er auch mal eine Sprechrolle. Das Sprechen übernahm nämlich sonst immer Ursula.
»Ja, als Weiberheld könnte man ihn schon bezeichnen.« Wolfgang Kobalik steckte sich genüsslich eine dicke Zigarre an und spuckte einen Tabakkrümel auf mein frisch geputztes Parkett. Ursula hatte ihm bereits meinen Fernsehsessel unter den Hintern geschoben.
Ich stand da und wusste nicht, ob ich lachen, weinen oder einfach weglaufen sollte. Das Gespräch dauerte mir eindeutig zu lange. Am besten, ich unterbrach es sofort. Ich holte tief Luft und griff nach dem Hörer, aber die Kobaliks genossen dieses Interview, als wären sie live bei der Verleihung des goldenen Tratschweibs. Furchtbar, was sie da über meinen Mann zum Besten gaben! Nein. Von mir würde nichts kommen. Mit einem kleinen Schaudern hörte ich mir dieses merkwürdige Telefonat an.
»Ja, wenn Sie mir bitte einfach mal den Charakter des Herrn Meran schildern würden«, bat Herr Immekeppel. »Ich weiß, dass meine Frau sich da in was Fatales verrennt, wenn ich sie nicht warne!«
»Er ist sehr von sich überzeugt«, sagte Wolfgang Kobalik mit tiefer Stimme. »Hält sich für einen Mann von Welt.«
»Genau DAS hat meine Frau gestern im Streitgespräch auch gesagt!«, erregte sich Herr Immekeppel. »Dass der ein Mann von Welt sei im Gegensatz zu mir.«
»Tja, das kann ich schlecht beurteilen«, brummte Wolfgang Kobalik jovial.
»Dabei isser jar keena!«, schrie Frau Kobalik plötzlich schrill dazwischen, was ich äußerst deplatziert fand. Was zu weit geht, geht zu weit!
»Der macht immer auf selbstbewusst und lässig und männlich, der weeß jenau um seine Wirkung. Det is klaa, det Ihre Frau dem verfalln is!«
»Dann macht er das wohl öfter?«
»Wat jetz jenau?«
»Na, Frauen den Kopf verdrehen?«
»Det machta imma.«
»Besonders bei so naiven Mädels vom Lande.«
»Da hatta noch ne Schangse.«
Wie jetzt? War das Ganze etwa doch kein Spaß? Die Kobaliks waren doch auf fast allen Reisen dabei. Sie hatten es also beobachtet und mir nie etwas davon gesagt?!
Herr Immekeppel schien über diese Informationsflut sehr erleichtert zu sein. »Sie müssen wissen, dass meine Lebensgefährtin noch nie aus Heilewelt rausgekommen ist.« Er kicherte nervös. »Im Moment hat sie so eine Phase, wo sie einfach mit dem Haushalt, den Kindern und der Musikschule überfordert ist. Klar, dass sie da anfällig ist für so einen Blender.«
Das musste ein geschmackloser Scherz sein, das ging gar nicht anders. Schluss, aus, vorbei: Wenn die das im Fernsehen senden wollten, würde ich aber vorher den Sender verklagen. Ich fand das alles nicht mehr witzig.
»Ja, da haben Sie sicher recht!«, brummte Herr Kobalik und zog schmatzend an seiner Zigarre. »’n rischtja Blenda! Det isser!«
Ursula nickte, dass ihr Doppelkinn wackelte. »Wissen Sie, wie wir den immer heimlich nennen, mein Mann und ich? Blendax-Män!« Sie lachte fett.
Das tat weh. Auch wenn es nur ein Scherz sein sollte: Ich wollte das nicht
Weitere Kostenlose Bücher