Hera Lind
weiß«, sagte ich heiser. »Du hast mir von ihr erzählt. Die mit dem adipösen Sohn.«
»Ja, der kleene Fettsack, der jetzt im Burgenland die Hungerkur macht.« Wolfgang Kobalik lachte bollernd, bevor er sich wieder auf sein Display konzentrierte. »Erst hat ’n die Uschi aba noch jemästet, wa! Det nennick Weiberlogik.« Er ging seine Kontakte durch. »Sachma, Uschi. Der Dings.«
»Den Steiner meinst du?!«
»Genau. Steiner. Toller Mann!« Dann brummte er nicht ganz tonrein: »Und der Haifisch, der hat Zähne, und die trägtaaaa im Jesicht.« An mich gewandt, fügte er noch hinzu: »Der hat da abgeräumt bei der Rosie ihrem Ex. Tabula rasa hat der gemacht.«
»Aber das ist doch gar nicht nötig!«, stieß ich hervor. Nicht dass die beiden meinten, ich ….
»Die Rosie kann sich nicht beklagen! Die hat den ausgezogen bis aufs Hemd«, sagte Ursula triumphierend. »Sie hat das Haus behalten, das hat sie gleich verkooft, den Kleen …«
»Den hat se zwar nich verkooft, aber zum Hungern jeschickt«, kalauerte Wolfgang. »Die Uschi will ja, det se in unsere Nähe zieht mit dem Fettklops …«
»Wolfjank!«, fuhr Uschi ihm in die Parade. »Fall mir nicht ins Wort! Einen super Zugewinn hat er für sie rausgeschlagen, das Auto und die Gemäldesammlung …«
»Sogar das Chlor für den Swimmingpool muss er ihr bezahlen, hahaha!«
»Wie meint ihr das?« Sie wollten doch nicht … Sie würden doch nicht …
»Hier. Ick happn. Steiner, Ralf!« Wolfgang Kobalik räusperte sich wie jemand, der gleich telefonieren will. Oh Gott. Er WOLLTE telefonieren. Halt!, wollte ich schreien, STOPP! Aber ich brachte keinen Ton heraus.
»Hallo!? Kobalik hier. Ja … auch schöne Weihnachten gehabt zu haben. Ich hätte schon wieder einen Job für Sie. Geht nicht, gibt’s nicht.«
»Ähm …« Ich streckte zitternd einen Arm nach dem Handy aus, aber Ursula zischte mir mütterlich zu: »Lass ma! Der macht det schon, der Wolfjank!«
»Ja, also es handelt sich hier um eine gute Freundin. Sie wohnt im Haus nebenan, dort, wo die Bremer Stadtmusikanten im Garten stehen.« Wolfgang Kobalik hustete seinen Raucherschleim ab und begann dann umständlich mit der Wegbeschreibung. »Kennen Sie sich in Wien aus?«
Ich versteifte mich unwillkürlich.
»Also, ich …« Wieder versuchte ich zu Wort zu kommen, aber Ursula nahm mich in den Arm und drückte mich an ihren wogenden Busen: »Trinkma, Kindchen. Der erste Schock ist der schlimmste.« Mit diesen Worten flößte sie mir weiteren Champagner ein.
»Ja, klar ist das dringend!«, ließ Wolfgang nicht locker. »Ehebruch, Betrug, auf frischer Tat ertappt, die ganze Palette! Meinen Sie, sonst rufe ich Sie an den Feiertagen an?« Er lauschte wieder kurz, unterbrach seinen Gesprächspartner dann aber vehement: »Woher wir das wissen? Der Ehemann der Gegenpartei hat uns angerufen und uns am Telefon was vorgeheult, der arme Mann!«
Gegenpartei! Das hörte sich ja nach … Scheidung an! Ich spürte ein Kratzen in meinem ausgedörrten Hals und trank das Glas auf einen Zug aus. Ich wünschte mir nichts sehnlicher, als endlich allein zu sein. Einen klaren Gedanken fassen zu können. Ich rieb mir die Schläfen, hinter denen es grässlich pochte. Ich sollte nicht mehr so viel trinken. Immer wenn die Kobaliks da waren, hielt ich ein Glas in der Hand. Das musste aufhören! »Ich würde jetzt gern …« Sie hörten mir gar nicht zu. Mit leerem Blick starrte ich sie an.
»Der Ehemann hat se in flagranti erwischt, im Parkhaus!«, gab Wolfgang Kobalik gerade Auskunft. Anscheinend schrieb der Anwalt schon mit.
»Nee, Wolfjank, so war det nich!«, quakte Ursula dazwischen. »Da war doch erst noch der anonyme Brief!«
»Ja, noch schlimmer!«, grollte Wolfgang in den Hörer. »Das ist ein fürchterliches Drama! So wat haben wir noch nie erlebt! Det müssen WIR uns nicht bieten lassen!« Er verzog grimmig das Gesicht.
Verwirrt starrte ich ihn an. Hallo? Ging es noch? Der tat so, als sei ER betroffen! Und was war mit MIR? Verwechselten die da nicht was? Ich hatte das Gefühl, in eine Katastrophe hineinzuschlittern. Aber irgendwie war mein Hirn wie leer gefegt. Wie betäubt umklammerte ich mein leeres Glas. Mir wurde schwindlig. Ursula flößte mir weiteren Alkohol ein. Und der blieb nicht ohne Wirkung. Plötzlich war mir alles egal. Ich würde morgen über alles nachdenken. Verschieben wir es doch auf morgen.
»Ja, morgen früh, das lässt sich einrichten.« Fragend ruderte Wolfgang mit dem Arm in unsere
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