Hera Lind
beschwichtigend Ursula Kobalik über meine Schulter in den Hörer und wedelte mit ihrer Zigarette vor meinem Gesicht herum.
»Ab sofort verfolgen wir eine ganz klare Strategie«, belehrte mich Herr Steiner streng.
Er klang nicht so, als sei er zum Diskutieren bereit.
»Die Kobaliks wissen, wovon ich rede.«
»Ja, det wissen wa, Herr Steiner!«, dienerte Wolfgang Kobalik in Richtung Telefon.
»Ihre Freunde stehen Ihnen ja zum Glück mit Rat und Tat zur Seite«, bemerkte der Anwalt zufrieden.
Ich hörte seinen Wagen mit quietschenden Reifen wenden. Wahrscheinlich hatte er gerade seinen Sohn bei der Geschiedenen abgeliefert.
»Ja, det könnse laut sagen!« Wolfgang warf sich in die Brust: »Wozu sind Freunde sonst da?«
»Es ist besser, wenn Sie jetzt nicht alleine bleiben«, ordnete Herr Steiner an. »Wenn man so verwirrt ist, macht man oft unüberlegte Sachen. Also, Sie tauschen jetzt die Schlösser aus. Haben Sie mich verstanden?«
»Aber jetzt an den Feiertagen …«, versuchte ich zaghaft, Zeit zu schinden.
»Rufen Sie den Notfalldienst.«
»Das machen wir, lassen Sie das mal meine Sorge sein«, blökte Wolfgang dazwischen und gab mir zu verstehen, dass ich mein Schicksal getrost in seine Hände legen solle. Er nahm mir den Hörer ab: »Herr Majista, wir sind ja keene Grienhoorns, wat det anbelangt, ham wa alles von Ihnen gelernt.«
»Kindchen, jetzt musste dem Wolfjank vertrauen«, zischte Ursula laut genug, dass Herr Steiner das mithören konnte. »Das ist jetzt schwer, aber am Ende stehst du als Siegerin da.«
Ich wollte gar nicht als Siegerin dastehen. Ich wollte mit meinem Mann reden. Am besten ein paar Tage wegfahren. Nach dem Neujahrskonzert. Wir würden zusammen irgendwohin fahren, wo es warm war und die Kobaliks uns nicht finden würden. Dort würden wir über unsere Ehe reden.
»Den ziehen wir aus bis aufs Hemd!« Ursula klopfte mir besänftigend auf die Schulter.
Ich fing an zu weinen. Nach dem Neujahrskonzert würde er gleich wieder nach Japan müssen. Und wenn diese Anja heimlich mitfuhr? Wie ein gutmütiges Schaf hatte ich ihm vertraut! Es stimmte: Ich hatte keine Ahnung vom Leben meines Mannes. Die Kobaliks wussten längst Bescheid! Der Anruf von dem Immekeppel aus Heilewelt war nur die Spitze des Eisbergs gewesen! Aufschluchzend warf ich mich an Ursulas weiche Brust.
»Das Mädchen ist völlig durch den Wind!«, erklärte Herr Kobalik jovial. »Ist am Flennen. Meine Frau hat da ’n juhtet Händchen. Tröstet se schon.«
»Gut, ich verlasse mich auf Sie«, hörte ich wie aus weiter Ferne den Anwalt. »Wenn sie im Vorfeld mit der Gegenpartei auch nur ein Wort spricht, kann ich für nichts garantieren. Sie wissen ja, meine Handschrift: ganz oder gar nicht.«
»Ja, die Devise kennen wir!« Herr Kobalik lachte wissend und tätschelte mir mit der freien Hand den Arm. »Haben wir uns aber immer dran gehalten! Und das machen wir jetzt wieder so.«
»Ich bin mein Geld wert«, sagte der Anwalt zum Abschied. »Ich leiste hervorragende Arbeit. Selbst die Gegenpartei empfiehlt mich an Freunde weiter.«
»Das wissen wir, das wissen wir!«
»Am Ende hat Ihre Freundin die Kinder, das Haus, die Möbel, das Auto und eine fünfstellige Unterhaltssumme bis an ihr Lebensende. Genau wie Ihre Tochter. Aber Sie müssen meine Bedingungen akzeptieren.«
»Verstanden, janz klar, ick bin doch nicht blöd, Mann!«
»Also. Bis morgen dann.« Der Anwalt legte auf.
LOTTA
»Sag mal, bist du blöd, Mann?«
Ich konnte es nicht fassen! Ich KONNTE es einfach nicht fassen! Da hatte mein lieber Jürgen mir nicht etwa mein Konzert aufgenommen, um mir eine Freude zu machen, sondern heimlich ein Telefonat mitgeschnitten! Er hatte sich nicht entblödet, bei wildfremden Leuten anzurufen und sie über Christian Meran auszufragen! Ich raufte mir die Haare.
»Was ist denn nur in dich gefahren?«, stammelte ich, als ich von meinem Spaziergang zurück war. »Wie konntest du nur so etwas tun? Das ist ja so was von voll daneben!« Oh Gott, das konnte ich Sophie nicht erzählen. Dazu schämte ich mich viel zu sehr!
»Ich wollte dir nur die Augen öffnen!« Jürgen wirkte verzweifelt. »Ich konnte nicht anders! Du warst so was von blind vor Liebe!« Er versuchte meine Hände zu nehmen. Seine waren feucht und kalt.
Ich stieß ein fassungsloses Schnauben aus und schubste ihn von mir weg. »Indem du irgendwelche neureichen Berliner Idioten interviewst?«
»Ich wollte nur die Meinung seiner Frau hören!«, verteidigte sich
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