Hera Lind
können!«, hätte ich sie am liebsten angebrüllt. Stattdessen murmelte ich es mehr so vor mich hin.
»Wir haben uns bisher eine Menge Informationen gespart, Kindchen. Aber jetzt reichtet uns.«
»Was denn für Informationen?«, krächzte ich ängstlich. Mit einem mulmigen Gefühl rieb ich mir die Arme.
»Na? Die Affäre mit der Fernsehansagerin? Solln wir ihr det sagen?«
»Welche meinste, Wolfjank? Die bei der Goldenen Kamera in Berlin?!«
»Nee, det war beim Ball der Ölbarone in Dubai.«
»Genau! Aber die war Schauspielerin! Anja Dings … oder war das die Schwester? Den Namen kann ich mir einfach nicht merken. Die Kesse, die immer beim Traumschiff mitspielt.«
»Auf dem Kreuzfahrtschiff? Ach je. Das hätten wa ma besser nicht gesagt. Die kennt sie doch. Jetzt heult se gleich.«
Ich traute meinen Ohren kaum. Was sagten sie da?! Die nette Anja, die ich mochte und mit der ich herumgescherzt hatte? Meine Gedanken überschlugen sich. Fieberhaft überlegte ich, was sie hinter meinem Rücken angestellt haben könnten.
»Kindchen, nicht aufregen! Das ist der Mann nicht wert.« Ursula sandte ihrem Mann einen warnenden Blick. »Kein Kerl auf der ganzen Welt ist das wert. Dass man eine Träne um ihn vergießt.« Sie nahm meine Hand und sang mit scheppernder Stimme: »So schön kann doch kein Mann sein, dass ich ihm lange nachwein …«
Ich war wie betäubt. Noch nie hatte mir jemand so wehgetan. Ich sah direkt vor mir, wie Christian und Anja sich küssten und umarmten und … Mir war, als hätte ich gerade eine schallende Ohrfeige bekommen.
»Auf den Schreck hin muss ich jetzt ooch ma eene rauchen.« Ursula war fertig mit Singen. Sie zündete sich eine Zigarette an und wedelte den Rauch von meinen Gardinen weg. »Tut mir leid, Herzchen, aber das musst du verstehen. Wir wollen nur dein Bestes.«
In dem Moment klingelte das Telefon. Oh Gott, danke! Das waren bestimmt die Mädchen. Trick siebzehn. Ich griff fast erleichtert nach dem Hörer. Wolfjank wäre mir gern zuvorgekommen, aber noch wohnte ICH hier! Ich meldete mich und bemühte mich um einen möglichst normalen Ton.
Mein Herz fing erneut an zu rasen, als ich eine unbekannte Männerstimme vernahm, die ziemlich herrisch klang: »Steiner noch mal. Spreche ich mit meiner Mandantin? Mit Anita Meran?«
»Ähm … ja?«
»Wenn ich Ihre Sache morgen in die Hand nehme, muss ich Ihnen jetzt schon ein paar ganze wichtige Anweisungen geben.« Das klang sehr autoritär.
»Ähm … ich überlege eigentlich noch …« Also gut. Ich würde ihm jetzt sagen, dass wir ein bisschen voreilig gehandelt hatten und dass ich ihn zu gegebener Zeit anrufen würde – wenn überhaupt. Zuerst würde ich mit Christian sprechen.
»Da gibt es nichts zu überlegen!«, rief Wolfgang Kobalik. »Stell mal laut!«
»Sie müssen sofort die Schlösser austauschen!«, befahl Ralf Steiner. »Während das Verfahren läuft, dürfen Sie ihn natürlich nicht mehr über die Schwelle lassen.«
Christian nicht mehr ins Haus lassen? Nein, unmöglich. Er wohnte doch hier! Ich meine, es war ja sein Haus. Außer, er hätte mich sogar schon hier … Ich sah ihn auf einmal vor mir, wie er Hand in Hand mit Anja die Treppe zu unserem Schlafzimmer … Ja. Es musste sein. Tabula rasa. Schlösser austauschen. Meine Gedanken drehten sich im Kreis. Mit möglichst fester Stimme sagte ich: »Laufendes Verfahren? Ich meine, läuft es denn schon? Habe ich Ihnen denn schon einen Auftrag erteilt?« Ich schluckte.
Ursula Kobalik schnalzte missbilligend mit der Zunge. Wolf gang schüttelte entsetzt den Kopf und warf die Arme in die Luft.
»Davon gehe ich allerdings aus! Sie haben mich aus einer Familienfeier herausgeholt, und ich bin schon unterwegs nach Wien!« Die Stimme des Anwalts klang noch unterkühlter als zuvor. »Ich bringe nur noch meinen Sohn zu meiner geschiedenen Frau zurück.«
Ich setzte mich kerzengerade hin, bekam fast keine Luft mehr. Panik erfasste mich. Der machte ernst. Mir fiel das Herz in die Hose.
»Schlösser austauschen. Sofort! Haben Sie mich verstanden?«
Ich blieb stocksteif sitzen. Jetzt gab es kein Zurück mehr. »Natürlich!«
»Das ist oberste Priorität«, drang die Stimme des Anwalts an mein Ohr. »Wenn ich Ihren Fall übernehmen soll, müssen Sie meine Anweisungen ab sofort ganz genau befolgen.«
Ich starrte die Kobaliks verwirrt an. Mir wurde ganz schwindelig. Alles war komplett aus dem Ruder gelaufen. Ein seltsames Schweigen trat ein.
»Det tutse, det tutse«, quakte
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