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Herbst - Ausklang (German Edition)

Herbst - Ausklang (German Edition)

Titel: Herbst - Ausklang (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Moody
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zurückkommen?«, warf Lorna ein.
    »Vielleicht.«
    »Wir können nicht einfach aufgeben«, beharrte sie. »Schon gar nicht du.«
    Michael stützte den Kopf auf die Hände und wirkte den Tränen nahe. Die Sinnlosigkeit der Situation drang ihm plötzlich ins Bewusstsein. Es zerriss ihn förmlich, so weit von Emma entfernt zu sein. Bisher war er abgelenkt gewesen, und vor der vergangenen Nacht war er davon ausgegangen, dass er entweder zur Insel zurückfliegen oder mit Cooper oder Harry segeln würde. Nach und nach waren all diese Möglichkeiten verschwunden, und nun war er gestrandet. Der schmale Wasserstreifen, der Cormansey vom Festland trennte, hätte ebenso gut Tausende Seemeilen breit sein können.
    »Also, wann brechen wir auf?«, fragte Howard, der sich schuldig fühlte, weil er Michaels Lage so wenig bedacht hatte.
    »Wie Harte schon sagte, warten wir ruhig ein paar Stunden«, meinte Michael. »Ich denke, wir sollten kurz vor Sonnenaufgang los. Vielleicht sehen die Dinge dann besser aus.«
    Caron legte sich in einem Kinderzimmer ins Bett. Zum Glück musste das Kind wohl gerade auf dem Weg zur Schule gewesen sein, als es starb, denn von der Leiche fehlte jede Spur. Das Zimmer präsentierte sich unangetastet. Unordentlich. Bewohnt. Ein ungemachtes Bett. Ein Kleiderhaufen auf dem Boden neben dem Schrank. Perfekt.
    Im Gegensatz zu den anderen war Caron vor dem Großteil der Beutezüge und somit auch der Verheerung abgeschirmt worden, seit alles in sich zusammengefallen war. Anfangs war sie zufrieden damit gewesen, die Hausfrau zu spielen, hatte Trost in der banalen Vertrautheit der Routinetätigkeiten gefunden und sich nur dann hinausgewagt, wenn es gar keine andere Möglichkeit gegeben hatte. Seither war sie wenig mehr als ein Passagier gewesen und von ihren jeweiligen Gefährten vor dem Wahnsinn beschützt worden. Sie fand es überraschend und eigentlich beruhigend, wie einfach es ihr gefallen war, in die Routine all dessen zurückzukehren, was sie verloren hatte. Kleine Dinge, die sie schon beinah vergessen hatte, fingen an, wieder eine Rolle zu spielen, wenn auch nur vorübergehend. Auf einer Frisierkommode in einem anderen Zimmer hatte sie etwas Make-up und Feuchtigkeitscreme gefunden. Sie hatte sich vor einen Spiegel gesetzt und etwas davon aufgetragen. Selbst diese völlig unbedeutende Handlung hatte eine überproportionale Wirkung gehabt und eine wahre Flut von bittersüßen Erinnerungen in ihr ausgelöst. Die Kälte der Creme in ihrer Hand, die sie mit den Fingerspitzen in die Haut einmassiert hatte, der Geruch ... In einer Welt voll Jauchegruben, verwesendem Fleisch und Keimen schien der zarte, blumige Duft unnatürlich intensiv, geradezu überwältigend zu sein.
    Sie ging in ein an ein Schlafzimmer angrenzendes Badezimmer, das keiner der anderen benutzt zu haben schien, und gönnte sich dort den Luxus, die Toilette zu benutzen. Schon traurig, dass es so weit gekommen war – dass sich eine echte Keramikschüssel, auf der man sitzen konnte, wie ein solcher Segen anfühlte. Im Tank befand sich noch genug Wasser für eine Spülung. Sie drückte den Griff nach unten und lauschte jeder Sekunde des wunderschönen und vertrauten Rauschens, das sie seit Monaten nicht mehr gehört hatte. Stattdessen hatte sie sich mit Eimern und chemischen Toiletten begnügen müssen.
    Caron fragte sich, wie das Leben auf der Insel sein würde, falls es ihnen je gelänge, dorthin zu reisen. Würde es besser sein als in dieser seltsamen, rückständigen Welt, an die sie sich schon fast gewöhnt hatte? Würde es dem ähneln, was sie in diesem Haus erlebt hatte, oder würde es wie ein eigenartiger Hybrid zwischen dem sein, was sie inzwischen kannte, und dem, woran sie sich erinnerte? Sie hatte gehört, dass es irgendjemand scherzhaft als ›Steampunk‹ bezeichnet hatte, aber sie wusste nicht, was das bedeuten sollte. Caron vermutete, dass die Dinge nicht ganz so hart sein würden wie das, was sie in den Anfangstagen in den Wohnungen und später im Hotel und zuletzt in der Burg erlebt hatte und erdulden musste. Allerdings wusste sie auch, dass die Zukunft nicht annähernd so kultiviert sein konnte wie das Leben, das sie früher geführt hatte. Die Möglichkeiten schienen endlos zu sein, und alle ihre Fragen blieben unbeantwortet.
    Sie stieg ins Bett des kleinen Mädchens und deckte sich mit dem Morgenrock zu, den sie trug. Die Matratze fühlte sich so gemütlich an. So normal. Sie streckte sich in der Dunkelheit aus und lauschte

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