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Herbst - Ausklang (German Edition)

Herbst - Ausklang (German Edition)

Titel: Herbst - Ausklang (German Edition)
Autoren: David Moody
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befand sich ein weiterer, der auf der Seite lag, und davor ein Arm oder ein Bein, er vermochte es nicht zu sagen. Er erblickte die unverkennbare, gekrümmte Form einer Wirbelsäule, ein schmetterlingsartiges Becken, die parallelen Knochen eines Brustkorbs ... Je mehr er hinsah, desto mehr schien sich die gesamte Welt in einen gewaltigen, schier endlosen Friedhof verwandelt zu haben. Gab es für ihn und die anderen hier überhaupt noch Platz?
    »Komm, Kumpel«, sagte Howard, legte ihm die Hand auf die Schulter, versuchte, sich enthusiastisch anzuhören und versagte dabei kläglich. »So weit ist es nicht mehr.«
    Die Fabrik hatte einst Autoteile hergestellt. Vor dem grauen, lagerhausähnlichen Gebäude parkten einige Autos, aber kein Mitglied der Gruppe hatte noch genug Energie übrig, um auch nur an den Versuch zu denken, eines davon zu starten. Vorläufig wollten sie alle nur eine warme Zuflucht. Hineinzugelangen, erwies sich als einfach. Alle Menschen hier waren gegen Ende der Frühschicht gestorben, und die Haupttüren waren zwar geschlossen, aber unversperrt.
    Triefnass standen sie in einem kleinen Empfangsbereich. Zu ihrer Linken saß eine tote Rezeptionistin noch an ihrem Schreibtisch. Ihr Skelettgesicht ruhte friedlich auf ihrer Tastatur. Hollis schob die Tür hinter sich zu, und der Lärm des heulenden Winds und prasselnden Regens von draußen verstummte. Die Stille war angenehm, wenngleich nur von kurzer Dauer.
    »Was ist das?«, fragte Caron, wenngleich sie es bereits wusste. Irgendwo aus dem Gebäude drangen Geräusche – die Laute der Toten. Was von den Mitarbeitern der Frühschicht noch übrig war, rührte sich angesichts der unerwarteten Ankunft der Lebenden.
    »Was sollen wir tun?«
    Michael sah sie an. Eine ziemlich dämliche Frage, fand er. »Ich würde sagen, wir werden sie los.«
    Er lud den Großteil seiner Habseligkeiten am Rezeptionsschalter ab – seinen nassen Mantel und eine Tüte mit Vorräten, die er unterwegs erbeutet hatte – und drang tiefer in die Fabrik vor. Kieran und Harte folgten ihm.
    Bevor sie die Haupttür erreichten, die hinaus in die Werkshalle führte, stießen sie auf ein kleines Büro. Harte spähte hinein und stellte fest, dass es leer war. Er bedeutete den beiden anderen, mitzukommen. Ein Büro, das einst einem Vorarbeiter oder Schichtleiter gehört hatte, musste ein breites Fenster aus Sicherheitsglas besitzen, das einen Ausblick auf die Fabrikhalle bot. Im Büro selbst herrschte Dunkelheit, den Rest des Werks erhellte das Licht, das durch schmutzige Plexiglasscheiben im Wellblechdach einfiel.
    »Scheiße«, stieß Kieran leise hervor.
    Im gesamten Arbeitsbereich befanden sich zahlreiche große Maschinen und Werktische – Drehbänke, Stanzen und andere Gerätschaft, die sie nicht auf Anhieb erkannten. Auf dem Boden rings um sie lagen verdorrte Leichen, gehüllt in lumpenähnliche, scheinbar mehrere Nummern zu große Kleidung. Dann schleppten sich von allen Seiten weitere Tote, die sich noch bewegen konnten, auf die Gesichter zu, die sie durch das Bürofenster beobachteten. Michael hatte das Gefühl, einen bizarren Zoo zu besuchen, in dem die Toten in Gefangenschaft lebten. Die drei Männer standen wie gebannt da, konnten nicht wegschauen, als die Leichen näher und näher kamen. Sie verhielten sich ziemlich so wie immer, wankten auf Beinen mit mittlerweile schwachen, verkümmerten Muskeln, gerieten sich vereinzelt in die Quere und wurden zurückgestoßen. Die Vordersten prallten gegen das Glas und begannen, mit gefühllosen Fingern langsam daran zu kratzen. Doch trotz aller Vertrautheit des Anblicks war bei dieser Begegnung etwas entschieden anders.
    »Seht euch die armen Teufel an«, meinte Harte leise. »Ich weiß, wir haben es nicht leicht gehabt, aber die müssen durch die Hölle gegangen sein – die ganze Zeit hier drin eingesperrt.«
    Kieran schwieg zunächst, aber er wusste, dass Harte recht hatte. »Die wollen nur noch, dass es vorbei ist«, meinte er schließlich. »Sie haben sich verändert. Sie wollen, dass wir es für sie beenden, oder?«
    »Ich glaube nicht, dass sie sich verändert haben«, widersprach Michael. »Nichts weist darauf hin, dass sie nicht schon von Anfang an so gewesen sind, sie hatten bloß keine ausreichende Kontrolle über sich, um es zu zeigen. Wenn sich jemand verändert hat, dann sind das wir.«
    »Wie meinst du das?«, fragte Harte.
    »Unsere Einstellung ihnen gegenüber ist jetzt anders. Ich habe diese Kreaturen vom ersten Tag an
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