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Herbst - Beginn

Herbst - Beginn

Titel: Herbst - Beginn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Moody
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verstreute, landwirtschaftliche Gerätschaften. Bei der Hälfte wusste ich nicht, wozu sie dienten, aber ich erkannte, dass sich alle irgendwie dafür nützen ließen, eine Barriere zwischen uns und den verseuchten Leichenscharen zu errichten.
    Ich begann, zurück zum Bauernhaus zu gehen und fühlte mich ungewöhnlich ruhig. Das Grauen und die den Magen verknotende Angst des Vormittags waren zumindest vorübergehend verflacht und verdrängt worden. Allerdings hielt der Aufschub nicht lange. Das Tageslicht begann zu schwinden, und als die Nacht rasch hereinzubrechen begann, kroch ein vereinzelter, harmloser und unerwarteter Gedanke in mein Gehirn, wo er langsam und systematisch die Zuversicht zerstörte, die ich in den vergangenen Stunden insgeheim in mir aufgebaut hatte.
    Ich dachte an eine Arbeitskollegin.
    Den Bruchteil einer Sekunde stellte ich mir ihr Gesicht vor, und damit kehrte schlagartig die Erinnerung an all das zurück, was ich verloren hatte, begleitet von einer unverhofften Flut rohen Schmerzes und unbändiger Emotionen.
    Eine lange Weile, die sich wie Stunden anfühlte, saß ich alleine auf den Stufen der Veranda vor dem Haus und weinte. Ich sah Gesichter vor mir – meine Familie und Freunde, meine Arbeitskollegen, meine Kunden, die Leute in der Werkstatt, in der ich vor ein paar Wochen mein Auto zur Reparatur hatte, die Frau, die mir die Zeitung an dem Morgen verkauft hatte, an dem alles begonnen hatte ... Mit jedem neuen Gesicht verstärkte sich die bittere Erkenntnis, dass sie alle tot waren; es fühlte sich an, als würden mir Nägel ins Fleisch getrieben. Und auf jeden dumpfen Schmerz folgte eine weitere Seelenqual. Während alle, die ich kannte, verwesend auf den Straßen lagen – oder sich unter endloser Pein durch die Gegend schleppten –, hatte ich überlebt. Warum ich? Warum von all den Menschen ausgerechnet ich? Ich dachte an meine beiden Brüder – Steven und Richard. Ich hatte sie seit Monaten nicht mehr gesehen. Inständig hoffte ich, dass sie so wie ich waren und überlebt hatten. Die Vorstellung, dass sie wie diese verfluchten Monster geworden sein könnten, war unerträglich.
    Aber was konnte ich schon tun?
    Warum sollte ich mich schuldig fühlen?
    Es gab nichts, das ich hätte ändern können.
    Ich rappelte mich auf und ging ins Haus. Dabei verspürte ich einen tief sitzenden Schmerz, von dem ich wusste, dass er nie völlig verschwinden würde. Trotzdem schuldete ich es mir zu versuchen, aus den Überresten der Welt etwas aufzubauen.
    27
    Für die Errichtung der Barriere rings um das Haus brauchten die drei den ganzen nächsten Tag. Sie arbeiteten fast ununterbrochen – wobei sie bereits kurz nach Sonnenaufgang begannen und erst aufhörten, als die Arbeit letztlich vollbracht war. Nachdem die Sonne untergegangen war, hatte es sich schwieriger gestaltet, sich zu konzentrieren. Sowohl Carl als auch Michael und Emma hatten Mühe gehabt, sich ihrer Aufgabe zu widmen und die wachsende Angst zu bannen, die zusammen mit der Dunkelheit Einzug gehalten hatte. Die Furcht, Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, war ständig vorhanden und unerbittlich. Den ganzen Tag hindurch war der Generator ausgeschaltet geblieben. So gut wie möglich arbeiteten sie im Schutz eines Mantels der Stille.
    Trotz seiner augenscheinlichen Teilnahmslosigkeit von zuvor schuftete Carl so hart wie seine beiden Gefährten, um die lebenswichtige Barriere fertig zu stellen. Einen Großteil der Zeit stand Emma mit dem Gewehr Wache, was sich in gewisser Weise als die schwierigste Aufgabe von allen erwies. Sie hatte noch nie zuvor eine geladene Feuerwaffe gehalten, und obwohl Carl ihr gezeigt hatte, wie man lud, zielte und feuerte, bezweifelte sie, in der Lage zu sein, das Gewehr tatsächlich einzusetzen, sollte es notwendig werden. Frustrierende, oft widersprüchliche Gedanken gingen ihr mit ärgerlicher Regelmäßigkeit durch den Kopf. Mittlerweile verabscheute sie die wandelnden Leichname, die sich lethargisch durch die Überreste der Welt schleppten. Sie waren inzwischen so verseucht und entstellt geworden, dass Emma es fast unmöglich fand, die Tatsache zu begreifen, dass sie noch vor kurzem menschliche Wesen mit Namen, Leben und Identitäten verkörpert hatten. Und dennoch fragte sie sich, ob sie fähig sein würde, den Abzug zu drücken, sollte eine der Kreaturen in ihr Blickfeld stolpern. Emma war nicht einmal sicher, ob eine Kugel Wirkung zeigen würde. Immerhin hatte sie bezeugt, wie diese Wesen fast bis zur

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