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Herbst - Zerfall

Herbst - Zerfall

Titel: Herbst - Zerfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Moody
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dass dieser Klumpen toten Fleisches vor ihm einst ein lebendes, atmendes menschliches Wesen mit Vorlieben, Abneigungen, Leidenschaft und Lastern gewesen war. Es nun anzusehen ...
    »Sie war hier zu Gast«, sagte Priest, der sich behutsam zwischen den beiden Männern hindurchdrängte, leise. »Ich habe sie an dem Tag gesehen, bevor alles geschehen ist. Sie war ein gut aussehendes Mädchen.«
    »Und wie hast du sie hier hereinbekommen?«, wollte Harte wissen.
    »Das habe ich nicht«, erwiderte er. »Sie hat sich selbst eingeschlossen. Auf der gegenüberliegenden Seite von diesem Zimmer liegen die Umkleideräume. Das arme Ding muss sich gerade zum Schwimmen fertig gemacht haben, als sie getötet wurde. Sie muss verdammt verängstigt gewesen sein und sich hier auf der Suche nach Hilfe hier hereingeschleppt haben. Vermutlich war es das Letzte, was sie getan hat.«
    Hollis und Harte starrten weiterhin die mitleiderregende, einstmals menschliche Hülle in den Schatten an. Ihre Bewegungen waren langsam, erschienen jedoch präzise und durchdacht. Sie besaß mehr Koordination als viele der Leichen, denen sie kürzlich begegnet waren. Andere wiederum hatten einen ähnlichen Kontrollgrad zur Schau gestellt – manche sogar noch mehr – doch sie hatten nie die Gelegenheit bekommen, irgendwelche von ihnen aus solcher Nähe und ohne Angst vor Angriffen zu beobachten.
    »Warum ist sie denn hier?«, wunderte sich Harte. »Wieso seid ihr sie nicht losgeworden? Habt ihr eine Vorliebe für tote Frauen in Badeanzügen?«
    Priest ignorierte die billige Stichelei.
    »Sie ist hier drin abgeschirmt und nützlich.«
    »Nützlich? Wie genau?«
    »Sie ist wie ein menschliches Barometer.«
    »Was zum Teufel redest du da?«, höhnte Harte.
    »Du weißt doch, was ein Barometer ist, oder?«
    »Natürlich weiß ich das«, sagte er rasch und war beleidigt. »Aber was hat ein toter Körper mit dem Wetter zu tun?«
    »So gut wie nichts«, erklärte Priest. »Es geht dabei nicht um das Wetter, sondern um ihr Verhalten.«
    »Ihr könnt sie studieren, ohne nach draußen gehen zu müssen«, vermutete Hollis, der zu begreifen begann. »Und dadurch sehen, was sie tun, ohne ihnen zu nahe zu kommen.«
    »Haargenau.«
    »Aber wozu wollt ihr sie studieren?«, brummte Harte unhöflich. »Ihr werdet niemals ein Heilmittel oder die Ursache für das Geschehene finden oder ...«
    »Nein, nichts dergleichen«, unterbrach ihn Priest, der den Kopf schüttelte und die Geduld zu verlieren begann. »Das Mädchen ist hier drin vor dem Wetter geschützt. Sie verwest immer noch, aber hier drin gibt es nichts, um den Verfall zu beschleunigen, wie etwa Wind oder Regen. Das bedeutet ...«
    »... dass sie möglicherweise stärker ist als der Großteil der Toten im Freien«, sagte Hollis.
    »Vielleicht nicht stärker, aber sie ist sicherlich in besserer Verfassung als die meisten von ihnen.«
    »Also ist das, was ihr hier drin habt, der schlimmste anzunehmende Fall?«
    »So in der Art.«
    »Indem ihr dieses Ding hier drin beobachtet und seine Reaktionen seht, könnt ihr eine Vorstellung davon bekommen, wie die Übrigen da draußen reagieren, wenn ihr das nächste Mal den Kopf ins Freie streckt.«
    »So ist es! Wir können sehen, was sie tun werden, noch ehe sie überhaupt damit angefangen haben, es zu tun!«
    »Und was habt ihr herausgefunden?«, fragte Harte, der seine Augen immer noch nicht von der Leiche abwenden konnte.
    »Dass sie gewalttätiger werden und damit beginnen, Entscheidungen zu treffen.«
    »Das ist alles? Wir hätten euch das auch erzählen können.«
    »Und sie denken, dass wir eine Bedrohung sind.«
    »Und ...?«
    »Und wir werden nicht wieder ins Freie gehen, ehe es nicht unbedingt nötig ist. Wir sorgen dafür, dass unsere Vorräte ausreichen und stehen die Sache durch.«

28
    Gordon, Webb und Caron begannen gemeinsam mit Ginnie, Sean und Amir damit, Lebensmittel aus dem Laderaum des Busses auszuladen. Dadurch, dass sechs Leute unkoordiniert versuchten, durch die Bus- und Hoteltüren hinein- und hinauszugelangen, bildeten sich häufig Engpässe. Nachdem Webb nahezu eine halbe Stunde lang hart gearbeitet hatte, machte er von einem dieser kurzen und unerwarteten Verzögerungen Gebrauch und verschwand für eine Zigarette. Er blieb lediglich kurz stehen, um nach einem Viererpack Bier auf einem Pappkarton zu greifen, das er sehr genau im Auge behalten hatte. Sean bemerkte seinen Abgang und folgte ihm rund um die Seite des Gebäudes außer Sichtweite der anderen.

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