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Herbstbringer (German Edition)

Herbstbringer (German Edition)

Titel: Herbstbringer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Björn Springorum
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einer Feststellung geklungen. »Ist es dir schwergefallen?«
    Das hatte sich Emily auch schon gefragt. »Nein«, erwiderte sie. »Das heißt, es fällt mir unglaublich schwer, aber ich kann aus irgendeinem Grund sehr gut damit umgehen.«
    Elias nickte, als wisse er ganz genau, was sie damit meinte. Und vielleicht tat er das ja auch. »Es bedeutet mir sehr viel, dass du zurückgekommen bist, Levana.«
    Emily zuckte zusammen. »Nenn mich bitte nicht so. Ich heiße jetzt Emily.«
    »Entschuldige. Also, Emily, kommst du mit? Ich möchte dir etwas zeigen.«
    Sie blickte auf das Grabmal. »Werde ich wiederkommen?«
    »Aber natürlich. Wenn du willst, schon morgen, oder besser gesagt heute. Es wird bald hell. Komm, wir müssen uns beeilen.«
    Zögerlich trottete sie Elias hinterher, der mit strammem Schritt in dem Gebüsch zwischen zwei heruntergekommenen Gruften verschwand. Langsam sickerten seine letzten Worte in ihren Verstand. Es wird bald hell. Was sollte das heißen? Sie hatte das Gefühl, es seien erst ein paar Minuten vergangen. Und doch konnte sie schon den ersten hellen Schimmer am Himmel ausmachen.
    Sie musste mehrere Stunden am Grab ihrer Mutter verbracht haben.
    »Elias, warte!«, rief sie so laut wie sie sich traute und beeilte sich, ihn einzuholen. Sie wurde nicht schlau aus ihm. Beziehungsweise, sie wurde nicht schlau aus ihrer Meinung über ihn. Vertraute sie ihm? Nüchtern betrachtet musste man wohl davon ausgehen – immerhin folgte sie ihm gerade querfeldein in die Tiefen eines Friedhofs.
    Er wartete vor einer Mauer. Vor ihm hing ein rostiges Tor schief, aber dennoch gründlich verschlossen in den Angeln. Eine massive Eisenkette sorgte dafür, dass es das auch blieb. Elias lächelte sie an und zog einen langen Schlüssel aus der Tasche.
    »Woher hast du den?«, fragte sie interessiert. Sie war sich ziemlich sicher, dass das, was hinter dieser Mauer lag, aus gutem Grund eingeschlossen bleiben sollte.
    »Ach weißt du …« Er zuckte beinahe entschuldigend mit den Schultern. Es war eine entwaffnende Geste. »Wenn man so lange in Highgate ein und aus geht wie ich, kommt man nicht umhin, die eine oder andere Bekanntschaft zu machen.«
    Emily zog es vor, die Natur dieser Bekanntschaft nicht näher zu hinterfragen, und sah zu, wie er den Schlüssel quietschend im Schloss herumdrehte und das metallisch wehklagende Tor ein Stück aufschob. »Das sollte reichen«, meinte er, steckte den Schlüssel in seine Hosentasche und blickte sie an. »Kommst du? Das solltest du dir wirklich ansehen.«
    Sie rührte sich nicht. »Ist es nicht gefährlich, dass wir uns hier rumtreiben? Immerhin waren wir gerade am Grab meiner Mutter. Was, wenn es bewacht wird?«
    Elias nickte. »Guter Gedanke, Le… äh, Emily. Aber in diesem Fall kannst du unbesorgt sein. Wir Vampire sind nicht besonders sentimental. Dass du das Grab deiner Mutter aufsuchst, würden die meisten für unwahrscheinlich halten.«
    »Und was ist mit den Engeln?« Die Frage war schneller gestellt, als sie nachgedacht hatte.
    Er schüttelte den Kopf. »Nicht jetzt. Nicht hier. Bitte! «
    »Schon gut.« Doch Emily gab sich noch nicht zufrieden. »Aber was ist mit dir? Woher wusstest du, dass ich kommen würde? Dass ich das Grab überhaupt finden würde?«
    »Weil du anders bist. Weil ich anders bin.« Er blickte sie ermutigend an. »Begleitest du mich jetzt?«
    Ächzend schloss sich das Tor hinter ihnen.



16
    »Und, was sagst du?«
    Die Hände locker in den Hosentaschen, stand Elias zwischen zwei überdimensionalen gotischen Kreuzen. Eines war schon vor vielen Jahren umgestürzt und mittlerweile vollständig von Moos und Ranken überwuchert, das andere steckte brüchig und windschief in der Erde.
    »Was sage ich zu was? Ich sehe nichts.«
    Am Himmel glomm mittlerweile etwas mehr Licht. Die letzte Viertelstunde waren sie immer tiefer in den alten Teil des Friedhofs vorgedrungen, wo schon lange niemand mehr beerdigt worden war. Mit roter Farbe auf Wände oder Grabsteine geschmierte Pentagramme verrieten, dass Hobbysatanisten und gelangweilte Teenager diesen Friedhofsteil gelegentlich für ihre schwarzen Messen nutzten.
    Die Natur hatte diesen Bereich längst zurückerobert. Die Büsche wucherten, und verkrüppelte Eichen standen eng aneinander. Dazwischen einst prächtige, mittlerweile aber verfallene Gruften längst vergangener Nobilität, über denen eine Aura der Einsamkeit lag.
    »Du musst ja auch auf den Boden schauen.« Er deutete ins Dickicht neben dem

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