Herbstfeuer
ihre Armbeuge küsste. „Die“, fuhr sie fort und versuchte, sich zu konzentrieren, „die versucht, dich auf den Boden zurückzubringen, wenn du zu überheblich wirst …“
„Ich bin niemals überheblich“, sagte Marcus und zog am Ausschnitt ihres Gewandes, um ihren Hals zu küssen.
Sie hielt den Atem an. „Wie würdest du es nennen, wenn du dich so aufführst, als wüsstest du alles besser und alle anderen wären Dummköpfe?“
„Meistens sind die Leute, die mit mir nicht übereinstimmen, Dummköpfe. Ich kann das nicht ändern.“
Sie lachte und legte den Kopf auf seinen Arm, während er ihren Nacken küsste. „Wann sollen wir verhandeln?“, fragte sie und staunte selbst, wie heiser ihre Stimme klang.
„Heute Abend. Du kommst in mein Schlafzimmer.“
Sie warf ihm einen skeptischen Blick zu. „Das ist doch etwa keine List, um dir Freiheiten bei mir herauszunehmen?“
Marcus wich ein Stück zurück, damit er sie besser ansehen konnte, und erwiderte ernsthaft: „Natürlich nicht. Ich plane ein ernsthaftes Gespräch, das deine Bedenken gegenüber einer Heirat mit mir endgültig beilegen wird.“
„Oh.“
„Erst danach werde ich mir Freiheiten bei dir herausnehmen.“
Lillians Lächeln erstickte er mit einem Kuss. Ihr fiel auf, dass dies das erste Mal war, dass Marcus eine frivole Bemerkung gemacht hatte.
„Aber jetzt“, sagte Marcus, „habe ich ein anderes Problem zu lösen.“
„Was für ein Problem?“, fragte sie und rückte ein wenig zur Seite, weil sie spürte, wie erregt er war.
Mit dem Daumen strich er über ihre Lippen, fuhr den Umriss ihres Mundes nach. Als könnte er sich nicht beherrschen, raubte er ihr einen letzten Kuss. Die sehnsüchtige Berührung seiner Lippen ließ sie erschauern, ein Prickeln, das von ihren Lippen durch ihren ganzen Körper lief, sodass sie atemlos und schwach in seinen Armen zurückblieb. „Das Problem ist, wie wir dich wieder nach oben schaffen können“, flüsterte Marcus, „ehe dich jemand in deinem Nachthemd sieht.“
20. KAPITEL
Es war nicht klar, ob Daisy diejenige gewesen war, die die Katze aus dem Sack gelassen hatte, wie man in New York sagte, oder ob die Neuigkeiten von Annabelle gekommen waren, die vielleicht von ihrem Gemahl über das informiert worden war, was er im Arbeitszimmer gesehen hatte. Doch als Lillian die anderen Mauerblümchen zu einem vormittäglichen Treffen im Frühstückszimmer aufsuchte, war ihr sofort klar, dass alle es wussten. Sie erkannte es an ihren Gesichtern – Evies überraschtes Lächeln, Daisys verschwörerische Miene und Annabelles etwas gezwungen wirkende Gleichmütigkeit. Errötend setzte Lillian sich an den Tisch und vermied es, die anderen anzusehen. Immer war es ihr gelungen, zynisch zu wirken und sich damit vor Verlegenheit, Angst und Einsamkeit zu schützen – im Augenblick jedoch fühlte sie sich ungewohnt verletzlich.
Annabelle brach als Erste das Schweigen. „Was war das bisher für ein langweiliger Morgen.“ Sie hob die Hand zum Mund, um ein Gähnen vorzutäuschen. „Ich hoffe, irgendwer kann das Gespräch beleben. Weiß vielleicht jemand etwas Klatsch?“ Ihr neckender Blick traf Lillian. Ein Diener kam, um Lillians Teetasse zu füllen, und Annabelle wartete, bis er den Tisch verlassen hatte, ehe sie weitersprach. „Du erscheinst heute Morgen spät, meine Liebe.
Hast du nicht gut geschlafen?“
Aus zusammengekniffenen Augen sah Lillian ihre schadenfrohe Freundin an, während sie hörte, wie Evie sich an ihrem Tee verschluckte. „Ehrlich gesagt, nein.“
Annabelle lächelte und wirkte viel zu heiter. „Warum erzählst du uns nicht deine Neuigkeiten, Lillian, und dann erzähle ich meine? Obwohl ich bezweifle, dass meine auch nur halb so interessant sind.“
„Du scheinst alles schon zu wissen“, murmelte Lillian und versuchte, ihre Verlegenheit in einem großen Schluck Tee zu ertränken. Doch sie verbrannte sich nur die Zunge, daher stellte sie die Tasse ab und zwang sich, Annabelles Blick standzuhalten, der belustigt, aber mitfühlend wirkte.
„Geht es dir gut, Liebes?“, fragte Annabelle sanft.
„Ich weiß nicht“, räumte Lillian ein. „Ich fühle mich gar nicht wie ich selbst. Ich bin aufgeregt und sehr froh, und gleichzeitig …“
„Ängstlich?“, fragte Annabelle.
Vor einem Monat noch hätte Lillian lieber Folterqualen auf sich genommen, als auch nur eine Spur von Angst einzuräumen – doch jetzt nickte sie. „Es gefällt mir nicht, einem Mann gegenüber
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