Herbstfeuer
eventuellen Verlobung besprochen, und es wurden auch weder eine Mitgift noch ein Hochzeitstermin festgelegt. Ich bat deinen Vater lediglich um die Erlaubnis, dir den Hof zu machen.“
Lillian sah ihn überrascht und schuldbewusst an, bevor ihr noch eine weitere Frage einfiel. „Was hatte es mit dem Gespräch mit Lord St. Vincent auf sich?“
Jetzt war es an Marcus, schuldbewusst auszusehen. „Das war überheblich“, gab er zu. „Vermutlich sollte ich sagen, dass es mir leidtut. Doch das ist nicht der Fall. Ich konnte das Risiko nicht eingehen, dass St. Vincent dich davon überzeugt, ihn zu heiraten und nicht mich. Daher erschien es mir notwendig, ihn zu vertreiben.“ Er sprach nicht gleich weiter, und Lillian fiel ein ungewohntes Zögern auf. „Vor ein paar Jahren“, sagte er und mied dabei ihren Blick, „interessierte sich St. Vincent für eine Frau, mit der ich – verbunden war. Ich war nicht in sie verliebt, aber es wäre möglich gewesen, dass sie und ich …“ Er unterbrach sich und schüttelte den Kopf. „Ich weiß nicht, was aus der Verbindung geworden wäre, ich hatte keine Möglichkeit, es herauszufinden. Als St. Vincent begann, sie zu umwerben, hat sie mich für ihn verlassen.“ Ein freudloses Lächeln erschien auf seinem Gesicht. „Wie es vorauszusehen war, wurde St. Vincent ihrer nach ein paar Wochen überdrüssig.“
Mitleidig sah Lillian ihn an. Er hatte das ohne Zorn oder Selbstmitleid erzählt, doch sie spürte, wie sehr er verletzt worden war. Für einen Mann wie Marcus, der Loyalität so hoch schätzte, musste der Verrat eines Freundes schwer zu ertragen gewesen sein. „Und doch bist du sein Freund geblieben?“ , fragte sie sanft.
Als er antwortete, spürte sie, wie schwer es ihm fiel, über persönliche Dinge zu sprechen. „Jede Freundschaft trägt Narben. Und ich glaube, dass St. Vincent sie nicht umworben hätte, wäre ihm klar gewesen, wie stark meine Gefühle für sie waren. In diesem Fall allerdings kann ich nicht zulassen, dass die Vergangenheit sich wiederholt.
Du bist mir zu – wichtig.“
Eifersucht durchzuckte Lillian, als sie sich vorstellte, dass Marcus Gefühle für eine andere Frau gehegt hatte – und ihr Herz wäre beinahe stehen geblieben, als sie sich fragte, welche Bedeutung sie wohl dem Wort „wichtig“
beimessen sollte. Marcus besaß das Widerstreben der Engländer, Gefühle zu zeigen. Doch sie erkannte, dass er sich sehr bemühte, ihr einen Blick in sein sorgfältig geschütztes Herz zu gewähren, und dass eine kleine Ermutigung ihrerseits vielleicht erstaunliche Resultate zutage fördern könnte.
„Da St. Vincent mir offensichtlich in Bezug auf Aussehen und Charme überlegen ist“, fuhr Marcus gleichmütig fort, „fand ich, ich könnte nur mit fester Entschlossenheit konkurrieren. Deshalb traf ich mich heute Morgen mit ihm, um ihm zu sagen …“
„Nein, das tut er nicht“, widersprach Lillian.
Marcus sah sie verständnislos an. „Wie bitte?“
„Er ist dir nicht überlegen“, erklärte Lillian und errötete, als ihr klar wurde, dass es ihr keineswegs leichter fiel als ihm, ihr Herz zu offenbaren. „Wenn du willst, kannst du sehr charmant sein. Und was das Aussehen angeht …“ Sie errötete noch heftiger. „Ich finde dich sehr attraktiv“, platzte sie heraus. „Ich – das war immer so. Nie wäre ich dir in der letzten Nacht in dein Schlafzimmer gefolgt, wenn ich es nicht gewollt hätte, egal wie viel Brandy ich auch getrunken hatte.“
Er lächelte plötzlich. Im nächsten Moment streckte er die Hand nach ihrem offenen Mieder aus, zog es behutsam zusammen und strich mit dem Handrücken über ihren rosigen Hals. „Also darf ich annehmen, dass deine Weigerung, mich zu heiraten, mehr von der Vorstellung, gezwungen zu sein, diktiert wurde als von persönlicher Abneigung?“
Abgelenkt von seiner Liebkosung, warf Lillian ihm einen verwirrten Blick zu. „Hmm?“
Er lachte. „Was ich wissen will, ist Folgendes: Würdest du es in Erwägung ziehen, mich zu heiraten, wenn ich dir verspreche, dich nicht dazu zu zwingen?“
Sie nickte vorsichtig. „Ich – ich könnte es in Erwägung ziehen. Aber wenn du dich wie ein mittelalterlicher Lord benimmst und versuchst, mir deinen Willen aufzuzwingen …“
„Nein, das würde ich nicht“, sagte Marcus ernsthaft, obwohl sie ein amüsiertes Glitzern in seinen Augen sah.
„Offensichtlich würde das nicht gehen. Wie es scheint, habe ich einen ebenbürtigen Gegner
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