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Herbstfeuer

Herbstfeuer

Titel: Herbstfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kleypas
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sich fürchtete, schloss er ihn mit den Hunden allein in einem Zimmer ein, damit er sich dem stellen musste, was er am meisten fürchtete. Ich kann mir kaum vorstellen, wie es für einen Fünfjährigen gewesen sein muss, mit diesen Biestern stundenlang eingeschlossen zu sein.“ Sie lächelte bitter. „Vermutlich hat mein Vater ihn wortwörtlich den Hunden zum Fraß vorgeworfen. In dem Moment, da er seinen Sohn hätte beschützen müssen, ließ er ihn durch die Hölle gehen.“
    Lillian sah sie erschrocken an. Sie versuchte, etwas zu sagen, eine Frage zu stellen, die Kehle war ihr hingegen wie zugeschnürt. Marcus wirkte so selbstsicher, dass es ihr schwerfiel, ihn sich als verängstigtes Kind vorzustellen. Und doch musste ein großer Teil seiner Reserviertheit von dieser schmerzlichen Lektion herrühren, als niemand ihm geholfen hatte. Niemand, der ihn vor seinen Ängsten schützte. Obwohl Marcus jetzt ein erwachsener Mann war, fühlte sie in sich den lächerlichen Wunsch, den kleinen Jungen zu trösten, der er einst gewesen war.
    „Mein Vater wollte, dass sein Erbe unabhängig und hartherzig wurde“, fuhr Lady Olivia fort. „Sodass niemand ihn ausnutzen konnte. Daher sorgte er dafür, dass – wann immer Marcus jemanden lieb gewann, ein Kindermädchen zum Beispiel –, dieser Jemand sofort entlassen wurde. Sobald er Zuneigung für einen Menschen zeigte, wurde dieser fortgeschickt, das fand mein Bruder bald heraus. So distanzierte er sich von allen, die er liebte und nicht verlieren wollte. Dazu gehörten Aline und ich. Soweit ich weiß, wurde es besser, als Marcus zur Schule geschickt wurde, wo seine Freunde eine Art Ersatzfamilie für ihn bildeten.“
    Deshalb also blieb Marcus St. Vincent ein treuer Freund. „Hat Ihre Mutter sich nie für ihre Kinder eingesetzt?“, fragte sie.
    „Nein, sie war zu sehr mit ihren eigenen Angelegenheiten beschäftigt.“
    Einen Augenblick lang schwiegen sie beide. Geduldig wartete Lady Olivia darauf, dass Lillian etwas sagte, und schien zu verstehen, dass die andere erst über das nachdenken musste, was sie soeben erfahren hatte. „Welche Erleichterung muss es gewesen sein, als der alte Earl starb.“
    „Ja. Ein trauriges Fazit über das Leben eines Mannes: dass die Welt nach seinem Ableben so viel besser wurde.“
    „Bloß ist es ihm nicht gelungen, Ihren Bruder kalt und hartherzig werden zu lassen.“
    „Nein, wirklich nicht“, meinte Lady Olivia. „Ich bin froh, dass Sie das erkennen, meine Liebe. Marcus ist so weit gekommen, und doch braucht er noch viel mehr – Heiterkeit.“
    Statt ihre Neugier in Bezug auf Marcus zu befriedigen, hatte das Gespräch für Lillian noch mehr Fragen aufgeworfen. Ihre Bekanntschaft mit Lady Olivia war allerdings noch zu neu und zu wenig erprobt, sodass sie nicht sicher war, wie weit Sie gehen konnte, ehe sie freundlich zurückgewiesen würde. „Wissen Sie, Mylady“, meinte Lillian endlich, „ob Lord Westcliff je zuvor ernsthaft erwogen hat, jemanden zu heiraten? Ich weiß, dass es einmal eine Frau gegeben hatte, für die er etwas empfand …“
    „Oh, das – das war gar nichts, wirklich. Marcus wäre ihrer sehr schnell überdrüssig geworden, hätte St.Vincent sie ihm nicht weggenommen. Glauben Sie mir, hätte Marcus um sie kämpfen wollen, so wäre sie sein gewesen. Doch er schien nicht zu erkennen, was für uns alle unübersehbar war – dass das alles nur eine List von ihr war, um seine Eifersucht zu erregen, damit er sie heiratete. Doch ihr Plan ging schief, weil Marcus nicht richtig an ihr interessiert war. Sie war eine Frau, die – nun, wie Sie sich sicher denken können, hat es Marcus nie an weiblicher Aufmerksamkeit gefehlt. In dieser Beziehung ist er ein wenig verwöhnt, da die Frauen ihm, seit er das entsprechende Alter erlangte, praktisch zu Füßen lagen.“ Sie lachte Lillian an. „Ich bin sicher, er hat es erfrischend gefunden, dass eine Frau es wagt, ihm zu widersprechen.“
    „Ich bin nicht sicher, ob er es erfrischend genannt hätte“, meinte Lillian lakonisch. „Jedenfalls zögere ich nicht, ihm zu sagen, wenn er etwas getan hat, das mir nicht gefällt.“
    „Gut“, gab Lady Olivia zurück. „Genau das ist es, was mein Bruder braucht. Nur wenige Frauen – und auch Männer – haben ihm jemals widersprochen. Er ist ein starker Mann, der als Gegengewicht eine ebenso starke Frau braucht.“
    Lillian ertappte sich dabei, wie sie ihren Rock glatt strich, was nicht nötig gewesen wäre, und sagte

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