Herbstfeuer
annehmen sollte, der allein auf Pflichtgefühl beruhte.
„Dir bleibt keine Wahl“, sagte er hinter ihr.
„Natürlich bleibt mir eine Wahl. Ich wage zu behaupten, dass Lord St. Vincent mich auch nehmen wird, wenn ich keine Jungfrau mehr bin. Und sollte er das nicht tun, werden meine Eltern mich kaum hinauswerfen. Sicher wird es Sie erleichtern zu hören, dass ich Sie von jeder Verpflichtung freispreche.“ Sie nahm ihre Unterhose vom Bett und begann sie anzuziehen.
„Warum erwähnst du St. Vincent?“, fragte er in scharfem Ton. „Hat er um deine Hand angehalten?“
„Ist das so schwer zu glauben?“, gab Lillian zurück und schnürte die Bänder zu. Dann griff sie nach ihrem Chemisier. „Er hat um die Erlaubnis gebeten, bei meinem Vater vorzusprechen.“
„Du kannst ihn nicht heiraten.“ Stirnrunzelnd sah Westcliff zu, wie sie das Hemd über den Kopf zog.
„Warum nicht?“
„Weil du jetzt mir gehörst.“
Sie warf ihm einen verächtlichen Blick zu, obwohl ihr Herz bei seiner besitzergreifenden Art schneller schlug.
„Eigentumsverhältnisse entstehen wohl kaum durch den Umstand, wer mit wem das Bett teilt.“
„Du könntest ein Kind erwarten“, erklärte er zufrieden. „Vielleicht wächst gerade in diesem Augenblick mein Kind in dir heran. Ich denke, das bedeutet so etwas wie einen Anspruch.“
Lillian fühlte, wie ihre Knie nachzugeben drohten, obwohl ihre Stimme so kühl klang wie die seine. „Das werden wir bald herausfinden. Bis dahin lehne ich deinen Antrag ab. Abgesehen davon, dass es nicht eigentlich ein Antrag war, oder?“ Sie schob ihren bloßen Fuß in einen der Strümpfe. „Es klang mehr wie ein Befehl.“
„Geht es darum? Dass ich mich nicht zu deiner Zufriedenheit ausgedrückt habe?“, ungeduldig schüttelte Westcliff den Kopf. „Nun gut. Willst du mich heiraten?“
„Nein.“
Sein Gesicht verfinsterte sich. „Warum nicht?“
„Weil ein gemeinsames Schäferstündchen kein ausreichender Grund ist, um den Rest des Lebens aneinandergekettet zu sein.“
In unnachahmlicher Arroganz zog er eine Braue hoch. „Mir genügt es.“ Er hob ihr Korsett auf und reichte es ihr.
„Du kannst nichts sagen oder tun, um meine Entscheidung zu ändern. Wir werden heiraten, und zwar bald.“
„Das mag deine Entscheidung sein, aber nicht meine“, gab Lillian zurück und hielt den Atem an, als er die Schnüre nahm und heftig daran zog. „Und ich würde zu gern hören, was die Countess sagt, wenn du noch einen Amerikaner in die Familie bringst.“
„Sie wird der Schlag treffen“, erwiderte Marcus gelassen und band ihre Korsettbänder. „Sie wird herumschreien und am Ende vermutlich in Ohnmacht fallen. Dann wird sie für sechs Monate nach Europa fahren und sich weigern, auch nur einem von uns zu schreiben.“ Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: „Wie sehr ich mich darauf freue.“
19. KAPITEL
„Lillian. Lillian, Liebes – du musst aufwachen. Hier, ich habe Tee bringen lassen.“ Daisy stand an ihrem Bett und schüttelte sie behutsam an der Schulter.
Lillian öffnete widerstrebend die Augen und blinzelte ihre Schwester an. „Ich will nicht aufwachen.“
„Du musst aber. Es geschieht etwas, und ich dachte, du solltest vorbereitet sein.“
„Es geschieht etwas? Was geschieht?“ Lillian richtete sich auf und presste eine Hand an ihre schmerzende Stirn.
Ein Blick in Daisys schmales, besorgtes Gesicht genügte, um ihr Herz schneller schlagen zu lassen.
„Lehn dich zurück“, sagte Daisy. „Ich gebe dir den Tee. Hier.“
Während sie die Tasse nahm, versuchte Lillian, ihre Gedanken zu sammeln, die wild durcheinanderpurzelten.
Vage erinnerte sie sich daran, wie Marcus sie am vergangenen Abend heimlich in ihr Zimmer gebracht hatte, wo ein warmes Bad und eine hilfsbereite Zofe sie erwarteten. Sie hatte gebadet, ein frisches Nachthemd angezogen und lag im Bett, ehe ihre Schwester von den Festlichkeiten im Dorf zurückkehrte. Nach einem langen, traumlosen Schlaf hätte sie sich vielleicht davon überzeugen können, dass die Ereignisse der vergangenen Nacht niemals passiert waren, wäre da nicht die wunde Stelle zwischen ihren Schenkeln gewesen.
Was jetzt? fragte sie sich. Er hatte gesagt, er wolle sie heiraten. Im hellen Licht des Tages aber würde er seine Meinung vielleicht ändern. Und sie war nicht sicher, ob sie überhaupt wollte. Wenn sie sich den Rest ihres Lebens wie eine ungeliebte Bürde fühlen würde, die Marcus aufgezwungen worden war …
„Was
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