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Herbstfeuer

Herbstfeuer

Titel: Herbstfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kleypas
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das?“, hörte sie ihn fragen. Sie nickte, unfähig, einen Ton herauszubringen.
    Dann sprach Westcliff wieder, und seine Stimme klang belustigt. „So viel Scheu hätte ich bei einem Mädchen, das draußen in ihrer Unterwäsche herumtollt, nicht erwartet. Warum bedeckst du deine Augen?“
    „Weil ich dich nicht ansehen kann, während du mich ansiehst“, erklärte sie, und er lachte vergnügt. Erneut nahm er die Kompresse weg und tauchte sie ins Wasser.
    Als er das heiße Tuch noch einmal auf ihre Schenkel legte, spähte sie zwischen ihren Fingern hindurch. „Du musst nach einem Diener geläutet haben“, sagte sie. „Hat er – oder sie – etwas gesehen? Weiß jemand, dass ich bei dir bin?“
    „Nur mein Kammerdiener. Und er würde niemandem etwas sagen über meine …“
    Da er zögerte und offensichtlich nach dem richtigen Wort suchte, ergänzte Lillian: „Heldentaten?“
    „Das war keine Heldentat.“
    „Dann also ein Fehler.“
    „Wie immer du es nennen willst, Tatsache ist, dass wir mit der Situation angemessen umgehen müssen.“
    Das klang geheimnisvoll. Lillian nahm die Hand von den Augen und sah, dass das Tuch, das Westcliff hochhob, mit Blut befleckt war. Mit ihrem Blut. Ihr wurde flau im Magen, und das Herz schlug ihr schneller. Jede junge Frau wusste, dass es ihren Ruin bedeutete, wenn sie außerhalb der Ehe das Bett mit einem Mann teilte. Das Wort „Ruin“
    hatte einen so seltsamen Beiklang. Als wäre sie für immer verdorben worden.
    „Wir müssen nur verhindern, dass jemand es herausfindet“, sagte sie matt. „Wir tun so, als wäre es nie geschehen.“
    Westcliff zog das Laken hoch bis zu ihren Schultern und beugte sich vor, wobei er die Hände links und rechts von ihr aufstützte. „Lillian. Wir haben das Bett miteinander geteilt. Das ist etwas, das sich nicht einfach so abtun lässt.“
    Panik stieg plötzlich in ihr auf. „Ich kann es abtun. Wenn ich es kann, dann doch bestimmt …“
    „Ich habe dich ausgenutzt“, sagte er, und noch nie hatte sie jemanden gesehen, dem es so wenig gelang, bedauernd zu wirken. „Meine Tat ist unverzeihlich. Aber die Situation ist so, wie sie ist …“
    „Ich verzeihe dir“, sagte Lillian rasch. „So, erledigt. Wo sind meine Sachen?“
    „… und daher ist eine Heirat die einzige Lösimg.“ Ein Antrag vom Earl of Westcliff.
    Jede unverheiratete Frau in ganz England hätte Tränen der Freude vergossen, wenn sie diese Worte von diesem Mann gehört hätte. Aber es fühlte sich vollkommen falsch an. Westcliff hielt nicht aus freiem Willen um ihre Hand an, oder weil er sie mehr begehrte als jede andere. Sein Antrag beruhte auf Pflichtgefühl.
    Lillian richtete sich zum Sitzen auf. „Mylord“, begann sie mit bebender Stimme, „gibt es noch einen anderen Grund, abgesehen davon, dass wir miteinander das Bett geteilt haben, weshalb Sie mir einen Antrag machen?“
    „Offensichtlich sind Sie anziehend, klug – zweifellos werden Sie gesunde Kinder gebären – es gibt gute Gründe, die für eine Verbindung zwischen unseren Familien sprechen.“
    Lillian entdeckte ihre Kleider, die sorgfältig über einen Stuhl am Kamin gelegt worden waren, und kroch aus dem Bett. „Ich muss mich anziehen.“ Als ihre Füße den Boden berührten, zuckte sie zusammen.
    „Ich helfe dir“, sagte Westcliff sofort und ging zum Stuhl. Sie blieb neben dem Bett stehen. Das Haar fiel ihr über die Brüste und den schmalen Rücken. Westcliff legte ihre Kleider auf das Bett und musterte sie. „Wie reizend du bist“, sagte er leise. Zärtlich berührte er ihre nackten Schultern und ließ die Finger zu ihren Ellenbogen gleiten. „Es tut mir leid, dass ich dir Schmerzen verursacht habe“, sagte er. „Beim nächsten Mal wird es leichter sein. Du musst keine Angst davor haben – und auch nicht vor mir. Du glaubst mir hoffentlich, dass ich …“
    „Angst vor dir?“, sagte sie, ohne nachzudenken. „Gütiger Himmel, das würde mir nie passieren.“ Er drehte ihren Kopf zurück und lächelte breit. „Nein, wohl nicht“, stimmte er zu. „Wenn es dir in den Sinn kommt, würdest du dem Teufel ins Gesicht speien.“
    Lillian war nicht sicher, ob diese Bemerkung bewundernd oder kritisch gemeint war, und schüttelte seine Hand unwillig ab. Sie griff nach ihren Kleidern und begann, sich anzuziehen. „Ich will dich nicht heiraten“, sagte sie. Das stimmte zwar nicht, aber sie konnte das Gefühl nicht loswerden, dass es nicht so sein sollte. Dass sie keinen Antrag

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