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Herbstfrost

Herbstfrost

Titel: Herbstfrost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Gracher
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Kellerfenster neben der Garage. Alles andere war ein Kinderspiel.
Ich hatte mich ja entsprechend ausgerüstet. Als ich die Kellerstiege hinaufschlich,
hörte ich Schremmer schon schnarchen. Er lag im Wohnzimmer auf der Couch. Die
Details erspare ich mir. Ich durchsuchte das Haus nach belastendem Material,
nahm alles mit, das einen Hinweis auf mich hätte liefern können, dann ging ich
wie ein Besucher durch den Vordereingang, holte den Mercedes und fuhr ihn nach
hinten in den Garten. Um fünfzehn Uhr dreißig war ich auf der A10.
Nummernschild und Reifen wurden natürlich noch in dieser Nacht gewechselt.«
    Als Jutta den Kaffee servierte, sagte Piritz warnend: »Ich hoffe, du
bist nicht so kindisch und versuchst mir den Kaffee ins Gesicht zu schütten
oder mit der Tasse nach mir zu werfen.«
    »Nein, so kindisch bin ich nicht«, sagte Jacobi, der eine solche
Aktion durchaus erwogen hatte. Aber Piritz brauchte nur abzudrücken und konnte
eigentlich nicht danebenschießen. Selbst bei einem Handgemenge hätte er,
Jacobi, den Kürzeren gezogen. Unbewaffnet hatte er gegen diesen Riesen keine
Chance.
    Jutta schenkte ein und setzte sich anschließend neben Piritz auf die
Bank. Offenbar wollte sie bei einem allfälligen Verzweiflungsangriff Jacobis
nicht in die Schusslinie ihres Partners geraten.
    »Wie sind Sie eigentlich hinter Sorges Geheimnis gekommen?«,
flüchtete sich Jacobi ins nächste Thema. »Das frag ich mich schon die ganze
Zeit.«
    »Das war kein Problem.« Piritz sagte offensichtlich gern, dass etwas
kein Problem sei. Er war ein ausgesprochener Siegertyp. »Vor einigen Monaten
verbrachte Ruth Maybaum das Wochenende bei mir auf der Jacht. Ich lag bei Pula
vor Anker und hatte außer ihr keine anderen Gäste an Bord. Zu fortgeschrittener
Stunde – wir waren schon ein wenig blau – fragte sie mich, ob ich es für
möglich hielte, dass Versicherungen ihre Klienten ermorden ließen, um an ihrem
Tod zu partizipieren. Da wurde ich um einige Grade nüchterner. Eine
Journalistin wie sie stellt nicht aus Jux und Tollerei abstruse Hypothesen in
den Raum. Selbst dann nicht, wenn sie blau ist. Ihre Frage musste also einen
konkreten Hintergrund haben. Als ich nachhakte, wich sie aus. Offensichtlich
bereute sie ihre Äußerung bereits. Ich ließ es dabei bewenden, da ich ja
wusste, dass sie mit Paul Basidius befreundet war.«
    »Trotzdem verbrachte sie das ganze Wochenende auf Ihrer Jacht?«,
entfuhr es Jacobi.
    Piritz grinste mitleidig. »Sie ist Journalistin, Jacobi. Außerdem –
in welcher Welt lebst du? Wer nicht nimmt, was er kriegen kann, ist selbst
schuld und gehört zu jenen, denen genommen wird. Ruth Maybaum ist vielleicht
keine Marlene, aber glaub mir: Auch sie weiß, wo’s langgeht. Aber wo waren wir
stehen geblieben? Ach ja, bei Paul Basidius. Sein Vater Theo war einer der AIC -Direktoren. Ein Fingerzeig für mich, denn meine
Freunde von der Global Investment und ich sind schon lange hinter der ANUBIS   AG her. Der
Mischkonzern stellt für die OSTBAU eine ideale
Ergänzung dar. Ich intensivierte also meine gesellschaftlichen Kontakte zur AIC -Führung, in deren Folge Heidi Nilson und Gudrun
Sorge sich an der Schlange vor meinem Bett anstellten. Ich flirtete mit beiden,
hielt mich aber hauptsächlich an Gudrun, schließlich war Lysander die zentrale
Figur bei der AIC . Vor fünf Jahren hatte er im
letzten Moment eine feindliche Übernahme durch Global Investment verhindert.
Die Dates mit Gudrun ließen sich über den Geheimgang der Villa leicht
bewerkstelligen. Lysander und ich sind fast Nachbarn, mein Haus liegt ebenfalls
im Montforter Weg. Gudrun hasste ihren Mann, also hatte sie nichts dagegen,
dass ich in seinen Sachen stöberte, und sie verriet mir auch, wie verstohlen er
mit dem PC in seinem Arbeitszimmer umging. Eine
Diskette mit der nichtssagenden Aufschrift ›Haushaltsbudget‹ interessierte mich
besonders.«
    »Wie sind Sie auf den Code › MUNICH  200886‹
gekommen?«, fragte Jacobi.
    »Das weißt du auch schon? Kompliment, Jacobi! Durch Gudruns
Erzählungen war mir eines klar geworden: Lysander liebte seine Frau so sehr,
wie sie ihn hasste. Ich fragte sie einmal, ob sie überhaupt jemals etwas für
ihn empfunden hätte, da sagte sie, am Tag ihres Kennenlernens in München hätte
er ihr wenigstens noch imponiert. Zehn Minuten später hatte ich Zugriff auf die
Daten der Diskette. Anhand der Aufzeichnungen begriff ich schnell, was Sorge da
aufgezogen hatte, und mir stiegen die Grausbirnen auf.

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