Herbsttagebuch: Roman (German Edition)
ist ein bisschen geschafft heute Morgen. Das
liegt daran, dass sie noch gar nicht gefrühstückt hat. Selbstverständlich bekommen
Sie Ihr Kleid. Am Freitag ist es fertig.«
»Kann ich mich darauf verlassen?«
Ich will aufspringen und protestieren, doch Margrets Hand
presst wie ein Schraubstock meine Schulter nach unten.
»Ich denke, du willst, dass deine Kleider auffallen«, raunt
sie mir zu. »Nun kneif gefälligst nicht.«
Überrumpelt
bleibe ich sitzen und schweige.
Margret
nimmt mir die Entscheidung einfach ab.
»Selbstverständlich«,
sagt sie an die Kundin gewandt und lächelt verbindlich.
Eine Minute
später sind wir allein. Ich reibe mir mein zerquetschtes Schultergelenk. Jola kickt
jubelnd den Wischlappen in die Spüle. Dann fällt sie Margret um den Hals und die
beiden führen einen irren Tanz auf.
»Das ist
ja ein Ding!«, schreit meine Chefin und schüttelt mich. »Zehn-tau-send Euro!!! Hast
du das gehört?«
Ich nicke
benommen.
Nach meinen ersten Erfolgen als
Schneiderin weigerte sich Margret, am finanziellen Gewinn teilzuhaben.
»Deine Kleider, dein Geld«, sagte sie in ihrer knappen Art.
»Ich habe damit nichts zu tun.«
»Ich sitze in deiner Werkstatt. Du unterstützt mich, wo du
nur kannst. Ich kann, wenn ich Kleider nähe, keine Änderungen machen«, protestierte
ich. »Und ob du etwas damit zu tun hast.«
Zwecklos.
Erst als meine Oma, die ich in einer stillen Stunde gebeten
hatte, Margret zur Vernunft zu bringen, sich einschaltete, ließ meine Chefin sich
darauf ein, dass ich ihr 20 Prozent von meinen Einnahmen für Miete und Materialien
zukommen ließ.
Dennoch weiß ich, dass sie sich
in diesem Moment nicht zuerst wegen ihrer Einnahmen freut. Schließlich ist sie all
die Jahre gut ohne mich zurechtgekommen. Sie freut sich für mich, denn sie
weiß, dass ich meinen Beruf am meisten liebe, wenn ich schöne Kleider schneidern
darf.
Lächelnd
schaue ich sie an. Ich habe ein Riesenglück mit meiner Chefin.
»Was sagst
du?«, fragt Jola. »Bist du bald eine reiche Frau, Kind!«
Die liebe
Jola, noch so ein Samariter. Sie nimmt nur etwas von dem Geld an, wenn sie mir bei
einem Kleidungsstück geholfen hat. Deshalb drehe ich es immer so, dass ich Teile
meiner Klamotten von ihr anfertigen lasse.
»Ich glaube,
ich kann das nicht nähen«, sage ich kraftlos und noch immer zweifelnd. »Das war
nur so eine Idee. Die war gar nicht für die Hofmann bestimmt.«
»Und warum
hast du sie ihr gezeigt?«, fragt Jola verwundert.
»Das habe
ich ja gar nicht! Sie hat sich einfach die ganze Mappe geschnappt und ihr habt mich
weggeschickt, um Kaffee zu holen, und jetzt ist es passiert.«
»Genau«,
sagt Margret pragmatisch. »Jetzt ist es passiert und deshalb musst du dich – marsch,
marsch – an die Arbeit machen.«
3. Kapitel
Männer haben Geheimnisse …
»Wird das hier eine Trauerfeier?«,
fragt Vicki, als ich ihr wortreich beschreibe, wie Margret mich mehr oder weniger
gezwungen hat, ein 10.000-Euro-Kleid zu nähen. Wir sitzen bei Kaffee, Sekt und Erdbeertörtchen
in unserer Küche. Ich war gleich nach der Arbeit nobel einkaufen, um mit meiner
Freundin ein bisschen zu feiern und meine nervenden Endlosgrübeleien in Alkohol
zu ertränken.
»Richtig
wohl ist mir nicht bei der ganzen Sache«, sage ich zögerlich.
»Wo ist
das Problem?«, fragt meine Freundin kopfschüttelnd und lässt den Sektkorken knallen.
»Es läuft doch alles toll bei dir. Andere Leute rennen dem Geld hinterher, zu dir
kommt es von ganz alleine. Du guckst aber, als müsstest du zur Wurzelbehandlung.
Ich schlage vor, wir trinken jetzt so lange Sekt, bis du dich freust, und dann nähst
du diesen Fummel.«
»Na klar
nähe ich ihn. Und ich freue mich doch schon längst«, antworte ich. »Ich meine …
10.000 Euro. Das ist der Hammer!«
»Na also«,
sagt Vicki und schenkt mir lachend ein. »Was machst du mit dem Geld? Lass mal hören.«
Der Sekt
sprudelt so stark, dass er überläuft. Ich schnappe mir mein Glas und trinke hastig.
Himmel! So viel Geld nur für ein einziges Kleid! Im Grunde
hat Vicki absolut recht. Ich sollte glücklich sein.
Der Alkohol
wirkt direkt. Die kleinen lustigen Sektperlen sind in meinen Kopf gewandert und
ich fühle mich plötzlich leicht.
»Ich kaufe
mir mindestens zwei Paar Schuhe«, schwärme ich. »Dann eine neue Schneiderpuppe für
die Werkstatt – die alte ist so was von hinüber –, ein paar tolle Kleiderstoffe
und den Rest lege ich weg, für später,
Weitere Kostenlose Bücher