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Herbstwald

Herbstwald

Titel: Herbstwald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Guzewicz
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zusammen mit der Zugangskarte für sein Hotelzimmer und seinem Portemonnaie auf die Theke gelegt hatte.
    »Davídsson«, meldete er sich. Das Display hatte nicht verraten, wer ihn anrief, aber er konnte sich im Augenblick nicht vorstellen, dass der Anruf unangenehmer sein konnte, als mit Landhäuser über das Duzen zu sprechen.
    »Hofbauer hier. Wir haben die Haare aus der Dusche analysiert. Das vorläufige Ergebnis ist gerade auf meinem Schreibtisch gelandet.«
    »Und?« Davídsson dachte an eine fliegende Akte.
    »Die DNA ist noch nicht im System erfasst. Es waren aber die Schamhaare von einem Mann.« Er machte eine kurze Pause. »Genauer gesagt waren es die Schamhaare von einem relativ jungen Mann.«
    »Wie alt ungefähr?«
    »Ungefähr so alt wie das Opfer, eher ein wenig jünger.«
    »Habt ihr auch etwas zu der Straßenbahnfahrt?«
    »Schedl arbeitet sich langsam durch. Da ist aber noch etwas anderes«, sagte Hofbauer, der sich offenbar unsicher darüber war, wie er das zur Sprache bringen sollte, was er sagen wollte.
    »Ja?«
    »Ich wollte mir nicht noch einmal vorwerfen lassen, dass ich meine Ermittlungen schlecht leite.«
    Davídsson wusste, was Hofbauer meinte, und er wollte etwas dazu sagen, aber Hofbauer war schneller: »Ich habe die DNA von den Schamhaaren mit der des Opfers vergleichen lassen.« Jetzt schien er sich sicher zu sein. »Sie sind sich sehr ähnlich.«
    Davídsson merkte, wie sich sein Puls beschleunigte. Die Müdigkeit, die er seit Tagen verspürte, war mit einem Mal verschwunden. Er versuchte, sich nichts anmerken zu lassen, und vermied den Blickkontakt zu Landhäuser, die neugierig jedes seiner Worte aufzunehmen schien.
    »Wie ähnlich?«
    »Es könnten Geschwister sein, aber um das genau zu bestimmen, müsste das Labor eine Blutprobe von beiden haben. Jetzt haben sie nur das …« Hofbauer schien seine Notizen neu zu ordnen. »… Polymerase-Ketten-Reaktions-Verfahren anwenden können. Das ist schneller, aber eben auch ungenauer. Um den tatsächlichen verwandtschaftlichen Grad bestimmen zu können, muss die DNA mit dem Restriktionsfragmentlängen-Polymorphismen-Verfahren analysiert werden. Leider fehlt uns dazu das Blut des jungen Mannes, der in ihrer Dusche gestanden hat.«
    Hofbauers Stimme veränderte sich wieder. Er las nicht mehr von seinen Notizen ab, sondern sprach wieder frei.
    »Brauchen Sie eine Kopie vom Laborbericht?«
    »Ja, für die Fallakte.«
    »Gut, dann bis morgen.«
    »Ja, danke.« Davídsson beendete das Gespräch und nahm gleichzeitig die Zugangskarte und den Geldbeutel von der Theke.
    Jetzt war eine gute Gelegenheit, ins Hotelzimmer zu gehen, ohne eine unangenehme Diskussion zu entfachen. Er bedeutete dem Barchef, dass er die Rechnung auf das Zimmer buchen sollte, und verabschiedete sich von Landhäuser, ohne sie direkt dabei anzusprechen oder auf ihre wissbegierigen Blicke einzugehen.
    Er musste erst einmal alleine nachdenken, bevor er dazu bereit war, seine Gedanken mit jemandem zu teilen.

    Ólafur Davídsson hatte gut geschlafen. Erschöpfung war das beste Schlafmittel.
    Jetzt ließ er sich Zeit. Er hatte ausgiebig geduscht und sich dann das Frühstück auf sein Zimmer bestellt. Er mochte es nicht, andere beim Frühstücken um sich zu haben. Fremde Menschen, die sich ihm am Buffet in den Weg stellten und sich die Teller vollluden mit Lebensmitteln, die hinterher im Müll landeten.
    Unter ihm lag die Stadt eingehüllt in eine trübe graue Masse. Er ließ die kalte Morgenluft durch einen Fensterspalt in sein Zimmer. Sie war feucht und sauber. Vielleicht nieselte es draußen vor dem halbrunden Balkon sogar. Das Licht reichte nicht aus, um das zu erkennen. Der Duft des Kaffees hatte sich längst mit der Feuchtigkeit vermischt und schwebte jetzt über ihm.
    Die Geräusche der Stadt drangen zu ihm in den 11. Stock und suchten sich den Weg in sein Hotelzimmer. Er konnte Vögel hören und das permanente Rauschen des Verkehrs, das nur durch vorbeifahrende Züge unterbrochen wurde, die mit lautem Quietschen im nahe gelegenen Bahnhof zum Stehen kamen.
    Er dachte an Catharina Aigner, die möglicherweise von ihrem Bruder bei einer wilden Straßenbahnfahrt gefilmt worden war. Warum war er nur so davon überzeugt gewesen, dass es ihr Freund gewesen sein musste?
    Davídsson versuchte sich an die Geräusche und das Stöhnen zu erinnern, die er mit einem Kuss in Verbindung gebracht hatte, ohne ihn dabei gesehen zu haben.
    Er nahm sich vor, das Band noch einmal anzusehen, als er

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