Hercule Poirot schläft nie
schüttelte zweifelnd den Kopf. Er schien bestürzt und verwirrt.
»Was ist Ihre Meinung über Miss Plenderleith, Mr L a verton-West? Ich meine, halten Sie sie für eine ehrliche, vertrauenswürdige Person?«
Der andere überlegte einen Augenblick. »Ich denke schon, doch, ich würde sagen, ja.«
»Sie mögen sie nicht?«, erkundigte sich Japp, der ihn scharf beobachtet hatte.
»Das möchte ich nicht behaupten. Sie ist nur nicht mein Typ. Ich mache mir nichts aus dieser sarkastischen, e manzipierten Sorte Frau, aber ich würde sie für durchaus aufrichtig halten.«
»Hm«, brummte. Japp. »Kennen Sie einen gewissen M a jor Eustace?«
»Eustace? Eustace? Ach ja, ich erinnere mich an den Namen. Ich bin ihm einmal bei Barbara – bei Mrs Allen begegnet. Ein ziemlich zweifelhafter Bursche, meiner Meinung nach. Das habe ich auch zu meiner – zu Mrs Allen gesagt. Er gehörte nicht zu den Leuten, die ich nach unserer Heirat gern als Gast in unserem Haus gesehen hätte.«
»Und was sagte Mrs Allen dazu?«
»Oh, sie war ganz meiner Meinung. Sie hat sich stets völlig auf mein Urteil verlassen. Ein Mann kann nun ei n mal andere Männer besser beurteilen als eine Frau. Sie meinte, sie könne schließlich nicht gut unfreundlich sein zu einem Mann, nur weil sie ihn lange nicht mehr ges e hen habe – ich glaube, sie hatte vor allem schreckliche Angst, snobistisch zu erscheinen! Als meine Frau hätte sie natürlich eine ganze Menge ihrer früheren Bekannten – äh – sagen wir, unpassend finden müssen.«
»Soll das heißen, dass sie durch die Heirat mit Ihnen i h re gesellschaftliche Stellung verbessert hätte?«, fragte Japp schroff.
Laverton-West hob seine gepflegte Hand.
»Nein, nicht direkt. Tatsächlich war Mrs Aliens Mutter weitläufig mit meiner eigenen Familie verwandt. Nein, bezüglich ihrer Herkunft war sie mir durchaus ebenbü r tig. Aber in meiner Position muss ich natürlich bei der Auswahl meiner Freunde besonders vorsichtig sein – ebenso meine Frau. Man steht bis zu einem gewissen Grad ständig im Rampenlicht.«
»Allerdings«, antwortete Japp trocken und fügte nach kurzer Pause hinzu: »Sie können uns also in keiner Weise behilflich sein?«
»Nein, leider nicht. Ich bin selbst wie vor den Kopf g e schlagen. Barbara ermordet! Es scheint mir unbegrei f lich.«
»Mr Laverton-West, könnten Sie mir noch sagen, wo Sie selbst sich am Abend des fünften November au f gehalten haben?«
»Wo ich mich aufgehalten habe?« Laverton-Wests Stimme überschlug sich beinahe.
»Eine reine Routinesache«, erklärte Japp beschwicht i gend. »Wir – hm – müssen diese Frage an jeden richten.«
Charles Laverton-West setzte eine würdevolle Miene auf. »Man sollte doch hoffen, dass jemand in meiner P o sition davon verschont bleiben würde.« Japp wartete u n gerührt.
»Also, ich war – lassen Sie mich überlegen… Ach ja, ich war im Parlament. Ging dort um halb elf weg. Machte danach einen Spaziergang am Themseufer und sah mir das Feuerwerk an.«
»Ein schöner Gedanke, dass es heutzutage keine so l chen Verschwörungen mehr gibt«, scherzte Japp.
Laverton-West starrte ihn an, ohne eine Miene zu ve r ziehen.
»Dann ging ich – äh – zu Fuß nach Hause.«.
»Ihre Londoner Adresse ist Onslow Square, wenn ich mich nicht irre. Wann kamen Sie dort an?«
»Das weiß ich nicht genau.«
»Elf? Halb zwölf?«
»So ungefähr.«
»Vielleicht hat Sie jemand eingelassen?«
»Nein, ich habe einen Schlüssel.«
»Sind Sie auf Ihrem Spaziergang jemand begegnet?«
»Nein – äh – also wirklich, Chefinspektor, ich finde I h re Fragen außerordentlich befremdend!«
»Ich versichere Ihnen, es handelt sich um eine reine Routineauskunft, Mr Laverton-West. Die Fragen sind keineswegs persönlich gemeint.«
Die Antwort schien den erbosten Abgeordneten zu b e sänftigen.
»Wenn das alles ist…«
»Das ist vorläufig alles, Mr Laverton-West.«
»Sie halten mich auf dem Laufenden?«
»Selbstverständlich, Sir. Ach, übrigens, darf ich Ihnen Monsieur Hercule Poirot vorstellen. Sie haben vielleicht schon von ihm gehört.«
Mr Laverton-Wests Augen hefteten sich interessiert auf den kleinen Belgier.
»Doch – doch, der Name kommt mir bekannt vor.«
»Monsieur«, begann Poirot, wobei sein Gebaren plöt z lich etwas sehr Fremdländisches annahm. »Glauben Sie mir, mein Herz blutet für Sie. Welch ein Verlust! Welche Qualen müssen Sie leiden! Ah, doch ich will nichts mehr sagen. Wie wundervoll die Engländer
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