Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge
keine Kunst gewesen.«
»Okay. Außerdem ist so eine Garage viel unverdächtiger.«
»Höchstens deine Nachbarn werden sich morgen früh wundern.«
Worauf Rodney nur traurig gelacht hatte. »Was für Nachbarn? In der Gegend hier kümmert sich jeder nur um sich selbst.«
Sie hatten geredet bis, na, halb vier oder so. Dann hatte ihm Rodney doch noch einen Kaffee gemacht, einen starken, und er war losgefahren, immer nach Norden. Unterwegs hatte er im Auto geschlafen, und schließlich war er nach Seattle gelangt und hatte einen Flug nach Japan gebucht. Am Ticketschalter war er ziemlich benommen gewesen, hatte einfach seinen japanischen Pass vorgezeigt, ohne an eventuelle Verfolger zu denken oder dass man womöglich nach ihm fahndete. Immerhin war er auf die Idee gekommen, die Frau am Schalter zu bitten, seinen Namen als »Gato Hirushi« auf die Tickets zu schreiben, was sie auch tat, nachdem er ihr einen langen und absichtlich verworrenen Vortrag über japanische Schriftzeichen und die Probleme der Latinisierung japanischer Namen gehalten hatte.
Und nun war er hier, mit seinem Laptop und den wichtigsten Programmen und Daten, dem umgebauten Zauberstab und den Naniten. Und wusste, wenn er ehrlich war, nicht, was er tun sollte.
Geld war nicht das Problem. Wenn ihm das mit den replizierten Geldscheinen eines Tages zu riskant wurde, konnte er die Naniten einfach Diamanten herstellen lassen; das war für Nano-Assembler sozusagen eine der leichtesten Übungen. Und er würde schon jemanden finden, dem er sie verkaufen konnte.
Nein, die Frage war, was er mit all dem Wissen, mit all den Möglichkeiten, die ihm die Naniten boten, konkret anfangen sollte. Er war der Verwirklichung seines Lebenstraumes so nah wie nie – doch irgendwie war ihm das sichere Gefühl, vom Schicksal geleitet zu sein, abhandengekommen. Er fühlte sich verlassen, auf sich allein gestellt.
Und er wollte nicht den Rest seines Lebens auf der Flucht sein.
Dann, einige Tage später, kehrte er von einem seiner Strandspaziergänge zurück, trat aus dem Aufzug, sah dem einsamen Fisch in seinem Aquarium in die Augen, und in diesem Moment kam ihm die Idee, was er machen würde.
Von nun an hatten die endlosen Stunden am Strand ein Ende. Er blieb in seinem Zimmer und ließ sich seine Mahlzeiten bringen; ein Anruf in der Verwaltung und seine Bereitschaft, einen angemessenen Aufschlag zu bezahlen, regelten das. Sein Computer arbeitete wieder ohne Pause, und Hiroshi schlief nur, wenn parallel dazu eine aufwendige Analysesimulation lief. Es galt, die »Bibliothek«, wie er den metallenen Informationsspeicher der Naniten nannte, eingehender auf verwendbare Prozeduren abzusuchen als je zuvor.
Hiroshi hatte sich vorgenommen, einen Methylquecksilber-Sammler zu bauen: Nano-Roboter, die sich vermehren, nach und nach alle Weltmeere füllen und durchstreifen würden auf der Suche nach Methylquecksilber-Molekülen, die sie einfangen und in einige wenige Depots schaffen sollten. Und das so lange, bis die Ozeane der Erde frei waren von dem Gift, das die Minamata-Krankheit hervorrief.
Nicht, dass dies auch nur annähernd das drängendsteMenschheitsproblem gewesen wäre. Keineswegs. Das war ihm auch völlig klar. Hiroshi hatte dieses Projekt ausgewählt, weil es, falls es gelang, erstens ein beeindruckendes Resultat haben würde – ein ganzer Planet, gesäubert von einem bestimmten Gift –, und weil es zweitens eine Herausforderung darstellte, anhand derer er eine Menge über die Naniten lernen würde.
Und drittens tat er es im Gedenken an seine unglückliche Tante Kumiko.
Nach einigen Tagen hatte er ein brauchbar aussehendes Konzept ausgearbeitet. Er würde zum ersten Mal Naniten selbst umbauen – mithilfe anderer Naniten, selbstverständlich. Er würde ein Prospektorelement konstruieren, das auf das Auffinden von Methylquecksilber spezialisiert war. Methylquecksilber war hochgradig schwefelaffin, verband sich als einfach positiv geladenes Ion mit Hydroxid- oder Chloridionen; entsprechende Verbindungen würden, sobald der Prospektor das Methylquecksilber identifiziert hatte, von einem Cutter aufgespalten werden müssen. Ein Transporter musste das Methylquecksilbermolekül anschließend zu einem Sammler bringen – und dann? Dann wurde es richtig schwierig.
Die gefüllten Sammler in die Depots zu schaffen war das größte Problem. Er brauchte einen Antrieb, der imstande war, eine Konstruktion im Nano-Maßstab gezielt durch Meeresströmungen zu bewegen; eine
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