Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge
Vorstellung.«
»Im Grunde sind auch diese Sonden so etwas wie Viren, nur im planetaren Maßstab. Ihr Programm ist denkbar simpel: Lande auf einem Planeten, der Leben trägt, und wandle die gesamte Biosphäre in Raketen um, die Kopien deiner selbst tiefer ins All tragen. Und tu das so lange, bis nichts mehr von dieser Welt übrig ist.«
»Sie vernichten gezielt Planeten, die Leben tragen?«
»Ja.«
»Warum sollte jemand so etwas tun?«
Hiroshi atmete schwer. »Das weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass es so ist. Ich kenne das Grundprogramm der Sonde, es ist unmissverständlich. So ist sie programmiert. Spekulieren kann ich nur über die Gründe dafür.«
Er nahm die Hände von ihrem Kopf. An den Stellen, auf denen sie die ganze Zeit geruht hatten – die ganze Nacht, wie es Charlotte vorkam –, fühlte ihre Haut sich auf einmal kühl an, kühl und verlassen.
»Ich habe mich gefragt, ob sie vielleicht in einem Krieg mitfremden Intelligenzen standen, mit feindlichen Wesen aus dem All, und ob sie irgendwann keine andere Wahl zu haben glaubten, als zu dieser Waffe zu greifen. Ob sie so verzweifelt waren, dass ihnen alles egal wurde. Ob es vielleicht ein Racheakt der letzten Menschen war, die einen vernichtenden Angriff aus dem All überlebt hatten. Was auch immer der Grund war, die Sonden müssen in großer Eile entwickelt worden sein. Ihre Erbauer haben sich nicht die Mühe gemacht, eine neue Informationsmatrix zu erstellen, eine, die nur die Programme und Pläne enthielt, die die Sonden wirklich brauchen würde. Sie haben einfach die genommen, die sie hatten, und das Killerprogramm davorgesetzt. Ganz einfach, ganz schnell. So, wie ich meine ersten eigenen Nanomaschinen gebaut habe, vor der Verschmelzung. Als es nicht auf Eleganz und Effizienz ankam, sondern das Ding einfach nur funktionieren musste.«
Charlotte rieb sich sachte die Schläfen, versuchte zu verstehen. »Sie haben Raketen losgeschickt mit Maschinen, die fremde Planeten vernichten sollten … Wohin haben sie sie geschickt?«
»Überallhin. In alle Richtungen.«
»Und dann? Irgendwann erreicht so eine Rakete ein Sonnensystem, findet einen Planeten, der Leben trägt, schlägt ein, beginnt ihr Zerstörungswerk …«
»Und innerhalb weniger Tage ist alles Leben auf diesem Planeten ausgetilgt, restlos. Seine gesamte Hülle wird in neue Raketen umgewandelt, so lange, bis von irgendeinem wichtigen Element nicht mehr genug da ist. Bis dahin aber sind Millionen neuer Sonden entstanden und unterwegs, jede auf der Suche nach einem neuen Planeten, den sie auslöschen kann. Und so immer weiter. Selbst wenn es Jahrtausende gedauert hat, bis eine Sonde ihr Ziel erreicht hat, müssen inzwischen Trillionen von Killersonden im All unterwegs sein. Es ist eine Welle der Vernichtung, die sich seit hunderttausend Jahren von der Erde aus ausbreitet. Die Raketen können sehr schnell werden, erreichen mit der Zeit halbe Lichtgeschwindigkeit und mehr.Egal wie man das durchrechnet, man kommt unweigerlich zu dem Ergebnis, dass mittlerweile ohne Weiteres schon die halbe Milchstraße entvölkert sein kann. Das ist der Grund, warum wir keinen Kontakt mit fremden Intelligenzen bekommen haben: Weil es keine mehr gibt. Unsere Vorfahren haben sie alle getötet.«
Sie setzte sich auf, wandte sich zu ihm um, kämpfte gegen den Schwindel an, der sie ergriff. »Aber doch bestimmt nicht alle! Bestimmt wird irgendwo, auf irgendeinem Planeten irgendjemand, irgendein Wesen rechtzeitig reagiert haben …«
»Ich weiß nicht mal, ob wir uns das wünschen sollten«, meinte Hiroshi düster. »Aber die Chancen dafür sind minimal.« Er hob die Hand, deutete in Richtung des Fensters. »Denk allein an unseren Drei-Millionen-Jahre-Marsch. Selbst wenn sich auf einem Planeten eine Spezies entwickelt, die dazu imstande wäre, eines Tages eine Technik hervorzubringen, mit der sie den Naniten Einhalt gebieten könnte – wenn die Sonde ankommt, kann sie das irgendwann innerhalb dieser drei Millionen Jahre tun, und ab da sind es nur Tage , die über das Schicksal dieser Welt entscheiden! Aber die Sonden stürzen sich auf jeden belebten Planeten, auch auf einen, auf dem sich das Leben gerade erst entwickelt hat. Das heißt, tatsächlich sind es Milliarden von Jahren, in denen der Planet schutzlos ist. Nein, die Ankunft einer dieser Sonden bedeutet unweigerlich, dass eine belebte Welt zur Wüste wird und dass Millionen weitere Sonden auf den Weg geschickt werden, weiter und immer weiter. Und ein
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