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Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge

Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge

Titel: Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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verschwinden und nicht so schwierig zu interpretieren sind.«
    »Bauwerke überstehen manchmal Jahrhunderte. Bei Jahrtausenden wird die Sache schon schwieriger. Aber wenn diese … hmm, nennen wir sie erste Menschheit … wenn sie vor der letzten Eiszeit existiert hat, wenn ihre Zivilisation vielleicht von dieser Eiszeit ausgelöscht wurde – dann kann das keines ihrer Bauwerke überstanden haben.«
    Hiroshi überlegte. »Und wie willst du dann jemals beweisen, dass es sie gegeben hat?«
    »Das weiß ich noch nicht. Aber man muss so etwas zuerst einmal für möglich halten – vorher ist man gar nicht imstande, eventuelle Spuren überhaupt zu erkennen.« Charlotte stemmte die Hände in die Hüften. »Es gibt zahllose Legenden von vergangenen goldenen Zeitaltern – von Atlantis, von Lemuria, von Ys … Vielleicht haben diese Legenden ja einen wahren Kern? Vielleicht entstammen sie der Erinnerung, dass es vor den Zivilisationen, die wir kennen, schon einmal eine menschliche Kultur gegeben hat, die untergegangen und in Vergessenheit geraten ist?«
    »Oder es sind einfach nur Legenden.«
    Sie warf den Kopf zurück, in einer Geste des Trotzes. »Schliemann ist einer Geschichte gefolgt, von der auch jeder gedacht hat, es sei nur eine Legende. Und am Ende hat er Troja gefunden.«
    Hiroshi sah sie an und spürte, wie ihm das Herz warm wurde vor, ja, Stolz auf sie. Auf ihren Mut, alles infrage zu stellen. Sich gegen die ganze Welt zu wenden, radikal. Es gefiel ihm unbändig, was er sah.
    Dann blickte er die Straße zurück und dachte an den Weg, den sie seit dem Morgen gewandert waren. Es war nicht unmöglich, ganz und gar nicht. Er konnte sich durchaus vorstellen, dass sie recht hatte.
    Mehr noch: Es fiel ihm auf einmal schwer zu glauben, dass sie unrecht haben könnte.
    Charlotte war erschöpft. Der lange Marsch war anstrengender gewesen, als sie erwartet hatte – einerseits wegen der Hitze, sicher wohl aber auch, weil jeder Kilometer, den man über das gewohnte Maß hinaus gehen muss, doppelt zählt. Sie war noch nie wesentlich mehr als zwanzig Kilometer an einem Tag gewandert, und nun zweiunddreißig! Sie fühlte sich halb tot. James würde ziemlich enttäuscht sein, dass den Rest des Tages mit ihr nichts mehr anzufangen sein würde.
    Gut, dass sie wenigstens professionell ausgerüstet war. Die Wanderstiefel – von einer kanadischen Firma; die besten, die es für Geld zu kaufen gab –, den Rucksack und die atmungsaktive Kleidung hatte sie sich im Hinblick auf künftige Exkursionen und Ausgrabungen zugelegt; nun war sie froh darum.
    Hiroshi schien das alles überhaupt nichts auszumachen. Er war die ganze Zeit stur wie ein Roboter marschiert. Da hatte sie sich keine Blöße geben wollen. Außerdem hatten sie sich ranhalten müssen, um den Treffpunkt mit James auch pünktlich zu erreichen. Sie waren jetzt schon spät dran; sie konnte nur hoffen, dass er auf sie wartete.
    Falls er überhaupt gekommen war.
    Trotzdem war sie zufrieden. Es war jetzt nicht mehr weit, und es hatte sich gelohnt. Hiroshi schien verstanden zu haben, worum es ihr ging. Sie dachte an all die Leute, denen sie ihre Gedanken bisher nur zu erklären versucht hatte. Vielleicht musste sie die auch mal auf so eine Wanderung mitschleppen. Die Idee dazu – die zeitlichen Dimensionen der menschlichen Evolutionsgeschichte auf diesem Wege körperlich erfahrbar zu machen – hatte sie schon lange mit sich herumgetragen; merkwürdig, dass sie sie ausgerechnet mit Hiroshi umgesetzt hatte. Er hatte etwas an sich, das ihren Forschergeist beflügelte.
    Hiroshi kam wieder auf das Messer zu sprechen, das sie damals in diesem Schrein, auf der »Insel der Heiligen« so fasziniert hatte. Er wollte wissen, was sie gesehen hatte. Wie alt es denn nun gewesen sei. Ob sie je versucht habe, mehr über das Messer herauszufinden.
    »Was habe ich gesehen?« Charlotte grübelte, ohne ihren Schritt zu verlangsamen. Wie erklärte man das? »Sehen kann man das sowieso nicht nennen. Es ist ein Fühlen. Es fühlt sich an, als ob du dich auf ein Kanalgitter stellst und plötzlich weißt, die Röhre unter dir ist mindestens hundert Meter tief. Weil du ein ganz, ganz fernes Echo hörst. So kann man das vielleicht beschreiben.«
    Nein, so konnte man das nicht erklären. Es waren nur Worte. Es so zu erklären war nicht einmal der Abdruck eines Schattens der Realität.
    »Ich habe an dem Tag eine Menge Sachen aus dem Tempel angefasst, die alle ziemlich alt waren«, fuhr sie fort. »Ich

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