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Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge

Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge

Titel: Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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flutete das Zimmer, und ihre zerwühlten, mahagonifarbenen Haare ergossen sich wie eine Flut über das Kissen. So schlafend, das Gesicht völlig gelöst, war sie schöner denn je – ein Engel, der sich in den Laken seines Bettes verfangen hatte.
    Wie leidenschaftlich sie gewesen war! Die Erinnerung daran, was für unglaubliche Laute sie von sich gegeben, wie sie ihm schwer atmend sinnlose Dinge ins Ohr geflüstert hatte, war wie die Erinnerung an einen unwirklichen Traum.
    Ja, er war glücklich. Zum ersten Mal in seinem Leben war alles so, wie es sein sollte. Er hatte nicht gewusst, dass das möglich war; dass man sich so fühlen konnte. Das also war Glück.
    Das Glück dauerte bis zu dem Moment, in dem Charlotte die Augen aufschlug. Erst war sie noch verwirrt, im Schlaf verfangen, doch dann sah sie sich um, sah ihn an, und zu Hiroshis Entsetzen las er in ihrem Blick Ernüchterung, nein, schlimmer: Bedauern!
    Es war also keineswegs alles so, wie es sein sollte.
    »Wie spät ist es?«, fragte Charlotte mit belegter Stimme.
    »Keine Ahnung.«
    »Ich muss mich anziehen.« Sie richtete sich auf, schlug die Decke zurück. Ein intensiver Geruch nach ihr, nach ihnen bei den, nach Sex und Leidenschaft stieg auf, betäubte Hiroshi beinahe, überwältigte ihn. Er konnte nur hilflos zusehen, wie sie sich vornüberbeugte, wunderbar anzusehen in ihrer Nacktheit, ihrer makellosen Schönheit, und wie sie nach ihren Sachen angelte, die auf dem Boden verstreut lagen, auf dem makellosen Boden, dem wahrscheinlich saubersten Zimmerboden aller Dormitories des MIT.
    »Ist das alles, was dir nach dieser Nacht einfällt?«, fragte er schließlich.
    Charlotte hielt inne, musterte ihn mit unverkennbarer Verärgerung. »Was soll das? Ich hab mit dir geschlafen. Das war es doch, was du wolltest, oder?«
    »Was?« Hiroshi traute seinen Ohren nicht. »Wie kommst du darauf? «
    Sie schlüpfte in ihren BH. »Sag bloß. Wolltest du nicht?«
    »Doch, natürlich. Aber doch nicht nur! Das reicht mir nicht …« Jetzt sprudelte es nur so aus ihm heraus, getrieben von der verzweifelten Hoffnung, alles noch retten zu können, wenn er nur die richtigen Worte fand. »Ich will dich , verstehst du? Ich will … Schau: Es gibt über sechs Milliarden Menschen, denen wir hätten begegnen können, Millionen Orte, an die jeder von uns beiden hätte gehen können, und selbst wenn wir an dieselben Orte gegangen wären, hätten wir es zu verschiedenen Zeitpunkten tun können … Es hätte so viele Möglichkeiten gegeben, uns zu verpassen, und trotzdem haben wir uns nicht verpasst. Das kann nur heißen, dass es Schicksal war, dass wir uns wieder begegnet sind. Das kann nur heißen, dass wir für einander bestimmt sind. Nichts anderes.«
    Sie hielt ihr Höschen in der Hand, war gerade dabei, es zu entwirren und auf die richtige Seite zu drehen. Nun ließ sie es sinken, hob den Kopf und sah sich im Zimmer um, betrachtete die weitgehend leeren Regale, die kahlen Wände, den Computer, die wenigen verbliebenen Bücher.
    »Das würde nicht funktionieren«, erklärte sie dann.
    »Wieso nicht?«
    »Weil es nicht funktionieren würde.« Sie schlüpfte in ihr Höschen und stand auf, mit einer Bewegung, aus der Ungeduld sprach. Sie hob ihr T-Shirt auf, sah Hiroshi an. »Ich werde James heiraten. Finde dich damit ab.«
    Hiroshi merkte, wie sein Gesicht zu Stein wurde. Er hatte ihr sein Herz dargeboten, ohne Schutz, offen schlagend, und sie trampelte darauf herum.
    »Es spielt keine Rolle, ob du ihn heiratest«, erklärte er. Es war sinnlos und trotzig und würde nichts ändern, das war ihm klar, aber er musste es sagen. »Schicksal ist Schicksal. Dem entkommt man nicht.«
    Sie zog ihre Hose an, ihre Bluse, hob ihre Jacke auf, die sie heute nicht brauchen würde. »Es ist besser, ich gehe jetzt einfach«, sagte sie und fuhr sich mit den gespreizten Fingern durch die Haare. Dann setzte sie sich noch einmal auf den Bettrand, um ihre Schuhe anzuziehen.
    Hiroshi setzte sich auf. »Liebst du ihn?«, fragte er.
    »Sonst wäre ich wohl kaum mit ihm zusammen«, erwiderte sie, ohne aufzusehen.
    »Warum sagst du nicht einfach ›Ja‹?«
    Ihr Gesicht fuhr hoch. Ihre Augen blitzten. »Also gut«, sagte sie. »Ja. Ja, ich liebe ihn. Zufrieden?«
    Was hatte sie auf einmal gegen ihn? Wieso konnte sie am Abend über ihn herfallen wie ein Verhungernder über einen gefüllten Kühlschrank, und ihn am nächsten Morgen mehr oder weniger behandeln, als hätte er sie vergewaltigt? Inzwischen war

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