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Herr Bofrost, der Apotheker und ich

Herr Bofrost, der Apotheker und ich

Titel: Herr Bofrost, der Apotheker und ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Neuffer
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schleierhaft. Doch bevor ich noch die Zeit fand, dieses Phänomen einer näheren Betrachtung zu unterziehen, klingelte das Telefon. Mama Spenger. »Lena, Liebes, Holger hat gerade angerufen. Ich finde es so lieb, dass du heute Abend für uns alle kochen willst! Aber ihr habt völlig Recht, in einer schweren Stunde muss die Familie einfach zusammen sein. Wo sollte man denn sonst noch Halt finden?«
    Seit ich in der Eppendorfer Landstraße gestartet war, hatte ich auf Autopilot geschaltet. Keine Gedanken, keine Tränen. Jetzt musste ich nur das Programm wechseln. Keine Gedanken, keine Panik. »Ach, hat Holger euch eingeladen? Wie nett! Wann kommt ihr denn?«
    »Wie? Habt ihr das nicht besprochen?«, fragte Mama Spenger verwirrt.
    »Ich bin gerade erst zurückgekommen. Mein Auto war kaputt. Aber ich freu mich, dass ihr kommt! Bringt ihr Kerstin auch mit?«
    »Ja, natürlich. Holger wollte uns alle dahaben. Aber, Lena, wenn es dir zu viel wird ...« Mama Spenger brachte diesen Rückzieher höchst halbherzig hervor.
    »Aber überhaupt nicht!«, rief ich enthusiastisch. »Kommt nur! Ich freue mich!«
    Größere Notlüge, aber im Sinne der heiligen Sache. Immerhin, ich konnte den Autopilot auf ›on‹ lassen, brauchte nur die Taste ›Familienzusammenkunft‹ zu drücken: ein kleines Drei-Gänge-Menü, hübsche Tischdekoration, polierte Weingläser, Sonnenblumenkerne und Salzgebäck. Das war doch wirklich eine leichte Übung, verglichen mit einem Frühstück im Café. – Allerdings auch eine recht zeitaufwändige. Dieser blöde Haushalt kostete mich schon genug Zeit, auch ohne dass die liebe Familie mit ihrem gesunden Appetit hier einfiel. So heilig, dass ich nur noch zwischen Herd und Bügeleisen hin und her pendelte, wollte ich ja nun auch nicht gleich werden!
    Also musste ich das alles besser organisieren, beschloss ich. Corinna sollte ruhig zweimal in der Woche kommen, und morgen würde ich diesen Bofrost-Typen anrufen und den Gefrierschrank bis zum Anschlag mit mikrowellentauglichen Fertigmenüs füllen lassen.
    Ich inspizierte die Wohnung. Corinna war heute da gewesen, und es sah recht anständig aus. Makellos, um genau zu sein, tadelloser Spenger-Standard. Ich inspizierte den Kühlschrank. Leer, natürlich. Ich inspizierte den Vorratsschrank. Auch nicht besser. Ich beschloss, Herrn Bofrost lieber gleich anzurufen. Vielleicht ließ sich ja eine Expresslieferung ordern.
    Herr Bofrost war außerordentlich entgegenkommend. Gegen Aufpreis konnte er heute noch liefern. Nur zu! Was scherte mich der Aufpreis, wenn ich mich damit von meinem Sklavendasein freikaufen konnte?
    Lieber guckte ich dem Bofrost-Sklaven zu, wie er unseren Gefrierschrank füllte: Hirschragout und Pastetchen, Krautrouladen und Kartoffelklöße, Kräuter, Gemüse, Eis.
    Ich rief Corinna an, um mit ihr neue Arbeitszeiten auszuhandeln. Sie war mehr als geneigt, und wir wurden uns schnell einig. Und da ich gerade dabei war, wälzte ich die Gelben Seiten und rief eine Wäscherei an. Ja, natürlich wuschen und bügelten sie Hemden. Selbstverständlich holten sie sie auch ab und brächten sie am nächsten Tag wieder. Ich fluchte ein bisschen, weil ich auf diese Idee nicht schon vor Jahren gekommen war, stopfte die getragenen Hemden in eine große Karstadt-Tüte und stellte sie hinter der Kellertür bereit.
    Und war endlich ein freier Mensch. Für ein paar Stunden. Ich nutzte die Zeit, um zu malen. Ich konzentrierte mich auf Kätzchen, nichts als Kätzchen.
    Und abends war Premiere – mein erstes Bofrost-Menü: Broccoli-Creme-Suppe, Putenroulade Badische Art (wegen der Spengerschen Liebe zum Schwarzwald) mit Kartoffelgratin und Rosenkohlröschen extra fein, hinterher Eisträumereien Karamell-Sahne. Die Bratensauce versalzte ich ein bisschen, damit es authentischer wirkte, die Verpackungen stopfte ich in eine schwarze Plastiktüte und versenkte sie tief in der Mülltonne. Pfui über jeden, der an der Frische meiner Zutaten zweifelte!
    Holger traf mich in der Küche an, als ich, sittsam mit einer Schürze angetan, in der Suppe rührte. Im Ofen brutzelte das Gratin, die Küche duftete.
    »Wie siehst du denn aus?«, begrüßte mich Holger, drückte mir ein flüchtiges Küsschen auf die Schläfe, trat einen Schritt zurück und musterte mich. Ich hatte mich fein gemacht – enger Rock, Seidenbluse. Kam mir heiliger vor als die ewigen Jeans.
    »Gefälles dir?« Ich drehte mich kokett mit dem Kochlöffel in der Hand einmal um mich selbst, strahlte Holger an. – Au

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