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Herr Bofrost, der Apotheker und ich

Herr Bofrost, der Apotheker und ich

Titel: Herr Bofrost, der Apotheker und ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Neuffer
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diese Ansicht teilte. Wenn er der Meinung wäre, ich sei eine auch nur ausreichende Stütze – von groß ganz zu schweigen –, hätte er wohl kaum die ganze Familie aufmarschieren lassen, um sein Leid zu teilen. Allerdings, die Spengers fanden sich auch zum Familienrat zusammen, wenn nur einen von ihnen ein Loch im Zahn plagte.
    Nun waren sie jedenfalls da, und Holger sollte sein Bad im Mitgefühl haben. Bei der Suppe ließ er uns teilhaben an dem dramatischen Augenblick, als er sich am Morgen der Apotheke genähert und schon durch die Glastür gesehen hatte, dass sich dort Schreckliches zugetragen haben musste. Dann schilderte er uns wortreich das Ausmaß der Verwüstungen, das sich ihm erst nach und nach offenbart hatte, als er in die hinteren Räume vorgedrungen war. – Den Auftritt der Polizei und ihre akribische Spurensuche verpasste ich leider, da ich mich um das Hauptgericht kümmern musste, kam aber gerade rechtzeitig wieder, um zu hören, wie Holger die Mühen der Aufräumarbeiten und die spannenden Details seiner Verhandlungen mit der Versicherung darlegte. – Beim Nachtisch hatte sich die Lage wieder beruhigt. Die Apotheke blitzte wieder im alten Glanz, die Regale waren neu befüllt und ihr kostbarer Inhalt hinter den dicken Gitterstäben an der Außenwand und einer neuen Alarmanlage sicherer denn je. Holger kratzte den Rest Eis aus seinem Schälchen, leckte genüsslich den Löffel ab, lehnte sich zurück und blickte zufrieden in die Runde.
    Da begriff ich! Hier ging es gar nicht darum, einen gebrochenen Mann zu bedauern und zu hätscheln, vielmehr waren wir in dieser trauten Runde zusammengekommen, um einem Helden zu huldigen.
    »Junge, das hast du ganz großartig gemacht!« Auch Mama Spenger hatte geschaltet. Sie sah ihren Sohn aus rehbraunen Augen bewundernd an.
    Papa Spenger nickte anerkennend. »Ganze Arbeit, Holger!«
    »Seht ihr, deswegen bin ich so froh, dass ich den Arsch los bin!«, ließ sich nun Kerstin vernehmen. »Er war einfach kein Tatmensch.« Auch sie bedachte Holger mit einem Blick andachtsvollen Respekts.
    Holger richtete sich in seinem Stuhl auf, hob bescheiden die Hände. »Ach, lasst man. Es war alles nur eine Frage der Organisation. Wenn man einen kühlen Kopf behält, lässt sich jede Krise meistern.« Er blickte selbstgefällig von einem zum anderen. »Kann ich euch einen Schluck Champagner anbieten – zur Feier des Tages?«
    Zur Feier deiner Person, meinst du wohl! – Als Einzige hatte ich Holgers entschlossene Tatkraft, sein herausragendes Organisationstalent, seine unerschütterliche Nervenstärke nicht kommentiert, und auch nach längerem Nachdenken wollte mir so recht nichts einfallen. Mein Gott, dieser Mann tat, als hätte er eine kriegszerstörte Großstadt über Nacht wieder aufgebaut! Ganz allein!
    Ich stand auf und begann wortlos, die Nachtischschälchen einzusammeln. Als Mama Spenger mit anfassen wollte, drückte ich sie sanft auf ihren Sitz zurück. »Danke, Mama, ich mach das eben. Setzt ihr euch nur schon rüber und lasst euch den Champagner servieren. Mögt ihr auch Kaffee?«
    »Später«, sagte Holger und warf mir einen ärgerlichen Blick zu. Er stiefelte in die Küche, ohne auch nur einen Teelöffel mitzunehmen.
    »Wirklich, setzt euch schon ins Wohnzimmer, wir sind sofort bei euch!«, sagte ich munter und balancierte das Geschirr durch die Küchentür.
    Holger stand am Spülbecken und fummelte am Verschluss der Champagnerflasche, die ich im Kühlschrank glatt übersehen hatte. Er funkelte mich feindselig an. »Na, dir ist das wohl alles egal, was? Wahrscheinlich bist du mit deinen Gedanken bei interessanteren Dingen, hm?«
    Ich sah ihn aus großen Augen an und schüttelte langsam den Kopf. »Aber, Holger! Ich bin sprachlos vor Bewunderung! Du ... du bist einfach ... ein Held! Ich hätte es nie für möglich gehalten, dass du den La..., äh, die Apotheke so schnell wieder in Ordnung bringen könntest. Und ganz allein! – Nur ... da drinnen wollte ich das nicht so sagen, es ... es war mir peinlich – so vor allen.«
    Ich schlug die Augen nieder und hörte, wie Holger langsam die Luft entwich. Als ich wieder aufsah, hatte seine Haltung sich entspannt, und er lächelte liebevoll auf mich herab. Teufel nochmal, so einfach war das? So – primitiv ? Ich musste ihn nur anhimmeln, und er fraß mir aus der Hand? Und merkte nicht einmal, dass ich so dick aufgetragen hatte wie die Schmierenkomödiantin einer dörflichen Laienschauspieltruppe? Nun gut, dann konnte

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