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Herr Bofrost, der Apotheker und ich

Herr Bofrost, der Apotheker und ich

Titel: Herr Bofrost, der Apotheker und ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Neuffer
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Kerstin stupste die Wurst angeekelt mit der Messerspitze an den Tellerrand.
    »Dann gib sie Lena«, sagte Holger ungerührt.
    Ich spießte die Wurst mit der Gabel auf und legte sie auf Holgers Teller. »Ich will Fisch. Ich habe da extra einen Teller Tintenfische hingestellt, die sollst du mir grillen.«
    »Ach, das sind Tintenfische? Ich habe mich schon gewundert, was das sein soll. Die kann ich nicht grillen, ich weiß gar nicht, wie das geht.« Holger sah mich vorwurfsvoll an.
    »Wie Fleisch«, sagte ich. »Man legt sie auf den Grill, und wenn sie von unten leicht braun sind, wendet man sie.«
    »Das kann ich nicht«, sagte Holger.
    Ich erhob mich seufzend. »Dann iss deine Wurst. Ich mache das schon.« Ich nahm mein Weinglas und stellte mich an den Grill.
    »Wir fahren in der Pfingstwoche«, hörte ich Holger sagen. »Können die Fensterläden bis dahin geliefert werden? Das sind doch sicher ohnehin Standardmaße, oder?«
    Papa Spenger schüttelte den Kopf, und ich schöpfte Hoffnung. »Nein«, erklärte er, »das ist eine Spezialanfertigung. Aber trotzdem ist das kein Problem, ich habe sie längst bestellt.«
    Natürlich, das hätte ich mir denken sollen! Die Spengers waren eine durch und durch organisierte Familie, da wurde alles von langer Hand geplant.
    »Warum muss denn jemand da sein, wenn sie angebaut werden?«, fragte ich. »Die Handwerker müssen doch gar nicht ins Haus.«
    »Aber man muss sie doch kontrollieren!«, riefen Holger und sein Vater wie aus einem Mund.
    Mann, ja! Manchmal war ich aber auch zu naiv. »Und du willst die Apotheke wirklich eine ganze Woche lang sich selbst überlassen?«, hakte ich nach.
    »Ich kümmere mich so lange darum«, sagte Papa Spenger. »Das ist überhaupt kein Problem.«
    Wie schön! Da war ich sehr beruhigt. Noch schöner wäre es allerdings gewesen, wenn er Holger vertreten hätte, damit wir einmal richtig hätten Urlaub machen können. Andererseits war es Anfang Juni da unten auch ganz nett. Und wir konnten ins Elsass fahren, hübsch essen gehen, durch Colmar bummeln und vielleicht endlich mal wieder an bessere Zeiten anknüpfen.
    Den Samstagabend verbrachte ich allein zu Haus, dödelte lustlos herum, spielte ein bisschen Solitär. Irgendwann öffnete ich Outlook, aber nicht einmal meine Mutter hatte geschrieben.
    Ich doppelklickte auf »Neue E-Mail«. Ich starrte auf das nackte, weiße Fenster, tippte – nur mal so.
    Liebst du mich noch?
    Klackerte zwanzigmal auf die Löschtaste.
    Denkst du noch manchmal an mich?
    Zweiunddreißigmal löschen.
    Ich habe einen ganz blöden Fehler gemacht. Nicht vor ein paar Tagen, wie du jetzt vielleicht denkst, nein, vor sieben Jahren. Und vor sieben Wochen noch einen, einen, von dem du nichts weißt. Einen ganz unverzeihlichen sogar. Und alle, alle tun so weh ...
    So eine Scheißbilanz. Und so was schrieb ich auch noch auf? War ich jetzt total bescheuert? Ich klickte ganz schnell auf das kleine Kreuzchen oben rechts. »Möchten Sie die geänderte Nachricht speichern?« Um Himmels willen, nein!
    Ich schaltete den Computer aus, schob zum fünfundzwanzigsten Mal »E-Mail für dich« in den Videorecorder, leerte eine Flasche Rotwein, heulte ein bisschen und fiel ins Bett. Ich fühlte mich ungefähr so lebendig wie eine Moorleiche.
    * * *
    Bis am Samstag darauf mein Handy klingelte. Laura – was wollte die denn? Sie war doch in Leipzig. Mit Lukas, dem Ehebrecher. Ganz oben auf der Achterbahn. Da rief sie sonst nie an!
    »Was ist?«, fragte ich atemlos.
    »Was ist?! Lukas ist das mieseste Arschloch, das auf dieser Welt herumläuft!«, schimpfte Laura.
    Jahhh!!! Ich stieß die Faust in die Luft. Die Becker-Faust, nannten andere Leute das. Mich erinnerte diese Geste immer an eine altmodische Toilettenspülung, an der man energisch zog. Und genau danach war mir – Lukas, den Ehebrecher, endlich durchs Klo zu spülen. Weg mit dem Affen. Mit Karacho, Gegurgel und Gekrach in die Tiefen der Kanalisation. Wo er hingehörte! »Laura, Schätzchen, was ist denn passiert?«, fragte ich erschrocken.
    Ein ersticktes Schnauben war zu hören. »Lena, ich kann dir das jetzt nicht erzählen, mein Zug kommt gerade. Ich ... ich ...«, sie schniefte, »ich fahre zurück nach Hamburg.«
    Oje! Das war keine Talfahrt, das war eine veritable Entgleisung. Die Bahn war echt aus der Kurve geflogen, und zwar von ganz oben! »Wann bist du da? Ich komme!«
    Laura zog den Rotz durch die Nase. »Echt?«
    »Echt. Also, wann?«
    »Sechzehn Uhr fünf.«
    »Okay. Ich hole

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