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Herr der Daemmerung

Herr der Daemmerung

Titel: Herr der Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa J. Smith
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aufgeblieben war, ihre Motorräder gefahren hatte und jagte, kämpfte oder Partys feierte, um dann morgens nach Hause zu kommen und sich für die Schule umzuziehen. Bis auf Morgead, der die anderen nur angegrinst hatte und sich dann aufs Bett fallen ließ. Er hatte keine Eltern oder Verwandten, die ihn daran gehindert hätten, die Schule zu schwänzen.
    Es überrascht mich, dass er nicht auch noch seinen Helm trägt, dachte sie und zog sich zurück aufs Dach. Sie griff nach dem Kampfstock, manövrierte ihn durch das Fenster und ließ sich dann wieder hinunter, wobei sie diesmal an den Händen hing. Ohne ein Geräusch zu machen, schlüpfte sie hinein.
    Dann trat sie vor ihn hin. Er hatte sich nicht verändert. Er sah genauso aus, wie sie es in Erinnerung hatte, nur jünger und verletzbarer, weil er schlief. Sein Gesicht war bleich, was sein dunkles Haar noch dunkler erscheinen ließ. Seine Wimpern waren schwarze Halbmonde auf seinen Wangen.
    Böse und gefährlich, rief Jez sich ins Gedächtnis. Es ärgerte sie, dass sie es sich erst wieder ins Gedächtnis rufen musste , was Morgead war. Aus irgendeinem Grund spulte ihr Verstand Bilder ab, Szenen aus ihrer Kindheit, während sie mit ihrem Onkel Bracken hier in San Francisco gelebt hatte.
    Eine fünf Jahre alte Jez mit kürzerem, rotem Haar, das aussah, als sei es noch nie gekämmt worden, ging mit einem kleinen Morgead mit schmuddeligem Gesicht Hand in Hand. Eine acht Jahre alte Jez mit zwei aufgeschürften Knien, die finster die Stirn runzelte, während ein geschäftsmäßiger Morgead ihr mit einer rostigen Pinzette Holzsplitter aus den Beinen zog. Ein sieben Jahre alter Morgead, dessen Gesicht vor Erstaunen aufleuchtete, als Jez ihn dazu überredete, die menschliche Speise zu kosten, die man Eiscreme nannte ...
    Hör auf damit, befahl Jez ihrem Gehirn energisch. Das nützt alles nichts. Damals waren wir Freunde - nun, zeitweise jedenfalls -, aber jetzt sind wir Feinde. Er hat sich verändert. Ich habe mich verändert. Er würde mich jetzt binnen einer Sekunde töten, wenn es für ihn von Nutzen wäre. Und ich werde tun, was getan werden muss. Sie wich zurück und stieß ihn leicht mit dem Stock an. »Morgead.«
    Er riss die Augen auf und setzte sich aufrecht hin. Er war sofort wach, wie jeder Vampir, und er konzentrierte sich ohne eine Spur von Verwirrung auf sie. Jez hielt den Stock jetzt anders und war bereit für den Fall, dass er sie sofort angriff.
    Aber stattdessen legte sich ein seltsamer Ausdruck über seine Züge. Verwandelte sich von verblüfftem Wiedererkennen zu etwas, das Jez nicht verstand. Einen Moment lang starrte er sie einfach nur an; seine Augen waren groß, seine Brust hob und senkte sich, und er sah aus, als sei er irgendwo zwischen Schmerz und Glück gefangen.
    Dann sagte er leise: »Jez.«
    »Hi, Morgead.«
    »Du bist zurückgekommen.«
    Jez verlagerte ihren Griff um den Stock noch einmal. »Sieht so aus.«
    Er stand in einer einzigen Bewegung auf. »Wo zur Hölle bist du gewesen?«
    Jetzt sah er einfach nur wütend aus, bemerkte Jez. Womit sie leichter umgehen konnte, denn so hatte sie ihn in Erinnerung.
    »Das kann ich dir nicht sagen«, antwortete sie, was absolut der Wahrheit entsprach und ihn außerdem mörderisch ärgern würde.
    Das tat es tatsächlich. Er schüttelte den Kopf, um das dunkle Haar aus den Augen zu bekommen - das morgens immer zerzaust war, erinnerte sich Jez - und funkelte sie an. Aber er stand gelassen da: nicht in Angriffshaltung, sondern mit entspannter Bereitschaft, die bedeutete, dass er jeden Augenblick in jede Richtung fliegen konnte. Jez konzentrierte ihre Aufmerksamkeit zur Hälfte darauf, seine Beinmuskeln zu beobachten.
    »Du kannst es mir nicht sagen? Du verschwindest eines Tages, ohne irgendeine Art von Vorwarnung, ohne auch nur eine Notiz zu hinterlassen ... Du verlässt die Gang und mich und verschwindest einfach vollkommen, und niemand weiß, wo du zu finden bist, nicht einmal dein Onkel... Und jetzt tauchst du wieder auf, und du kannst mir nicht sagen, wo du warst?« Er steigerte sich in einen seiner extrem erregten Zustände hinein, begriff Jez. Sie war überrascht; sie hatte erwartet, dass er kühler bleiben und sofort angreifen würde.
    »Was hast du dir dabei gedacht, einfach alle sitzen zu lassen? Ist dir je der Gedanke gekommen, dass die Leute sich Sorgen um dich machen würden? Dass die Leute dich für tot halten würden?«
    Es ist mir nicht in den Sinn gekommen, dass das irgendjemanden

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