Herr der Daemmerung
entdeckte, würde er sie töten.
Aber trotzdem, wenn sie eine Wahl gehabt hätte ... Hugh oder Morgead?
Noch am vergangenen Tag hätte sie ohne Frage Hugh geantwortet. Wie seltsam, dass sich die Reihenfolge jetzt umgedreht hatte.
Denn so unmöglich es auch war, so tödlich - so genau wusste sie auch, dass es Morgead war, den sie liebte. Und das hatte sie erst in diesem Augenblick begriffen.
Was für ein Jammer, dass es für sie keine Hoffnung gab.
Jez stieß ein weiteres kurzes Lachen aus - und dann wurde ihr bewusst, dass Hugh sie immer noch ansah.
Sie konnte spüren, wie ihr die Röte in die Wangen stieg.
»Du warst wieder meilenweit entfernt.«
»Ich bin einfach benebelt. Nicht genug Schlaf, schätze ich.« Außerdem all diese Ereignisse gestern. Ihr tat von dem Stockkampf und dem Sturz mit Iona immer noch alles weh. Aber das war nicht Hughs Problem.
Sie holte tief Luft und suchte nach einem anderen Thema. »Weißt du, es gibt da etwas, das ich dich fragen wollte. Morgead sagte, der Rat habe eine weitere Prophezeiung ausgegraben - darüber, woher die Wilden Mächte kommen. Kennst du sie?« Als er den Kopf schüttelte, zitierte sie:
***
Eine aus dem Land der Könige, lang vergessen;
Eine vom Herd, der noch die Glut bewahrt;
Eine aus der Tagwelt, in der zwei Augen wachen;
Eine aus dem Zwielicht, welches das Dunkel sucht.
***
»Interessant.« Hughs graue Augen leuchteten auf. »Eine vom Herd, der noch die Glut bewahrt... Das müssen die Harman-Hexen sein. Ihr Nachname war ursprünglich >Herdfrau<.«
»Ja. Aber die Zeile, nach der eine aus der Tagwelt stammt - diese Wilde Macht ist ein Mensch, richtig?«
»Hört sich so an.«
»Das ist es auch, was Morgead gedacht hat - das ist der Grund, warum er glaubte, das kleine Mädchen könne eine Wilde Macht sein, obwohl sie menschlich ist. Aber ich verstehe nicht, was in der zwei Augen wachen bedeutet.«
»Hmmm ...« Hugh schaute ins Leere, als gefalle ihm die rätselhafte Herausforderung. »Das Einzige, was mir dazu einfällt und was die Vorstellung von >Tag< und >Augen< vereint, ist ein Gedicht. Es heißt ungefähr so: >Tausend Augen hat die Nacht, doch der Tag nur eins.< Das eine Auge ist die Sonne, musst du wissen, und die tausend Augen sind die Sterne bei Nacht.«
»Hm. Was ist mit dem Mond?«
Hugh grinste. »Keine Ahnung. Vielleicht war der Dichter nicht gut in Astronomie.«
»Nun - das hilft uns nicht viel weiter. Ich dachte, es könnte ein Hinweis sein. Aber in Wahrheit wissen wir nicht einmal, ob wir der menschlichen Wilden Macht auf der Spur sind oder einer anderen.«
Hugh bettete sein Kinn wieder auf die Knie. »Stimmt. Aber ich werde dem Zirkel der Morgen-
dämmerung von der Prophezeiung erzählen. Vielleicht ist es irgendwann hilfreich.« Er schwieg für einen Moment, dann fügte er hinzu: »Weißt du, sie haben auch etwas Interessantes ausgegraben. Anscheinend haben die Hopi, Indianer, die im nordöstlichen Arizona leben, das Ende der Welt ziemlich akkurat vorausgesagt.«
»Die Hopi?«
»Ich sollte besser sagen, die Enden der Welten«, fuhr Hugh unbeirrt fort. »Sie wussten, dass es bereits vor ihrer Zeit geschehen war und dass es wieder geschehen würde. Ihre Legende besagt, dass die erste Welt durch Feuer zerstört wurde. Die zweite Welt wurde durch Eis zerstört. Die dritte Welt endete in Wasser - einer universellen Flut. Und die vierte Welt - nun, das ist unsere. Sie endet angeblich in Blut und Dunkelheit - und zwar bald.«
Jez murmelte: »Die erste Welt...?«
»Erinnerst du dich nicht an die Geschichte der Nachtwelt?« Er schnalzte mit der Zunge, mit einem Lächeln, das seine Augen nicht erreichte. »Die erste Zivilisation war die der Gestaltwandler. Damals, als Menschen Angst davor hatten, ihre Höhlen zu verlassen, herrschten die Gestaltwandler, und die Menschen hielten sie für Götter. Tiergeister. Totems. Es war die Gestaltwandlerwelt. Sie hielt sich ungefähr zehntausend Jahre lang, bis etliche Vulkane plötzlich aktiv wurden ...«
»Feuer.«
»Ja. Das Wetter veränderte sich, eine Völkerwanderung setzte ein, und die Gestaltwandler verloren die Kontrolle. Danach kam eigentlich die Hexenwelt. Die Hexen haben ihre Sache zehntausend Jahre lang besser gemacht als alle anderen, aber dann kam eine Eiszeit...«
»Und die Nachtkriege«, fiel es Jez wieder ein. »Als die Vampire gegen die Hexen kämpften.«
»Richtig. Und nach alldem gehörte die Herrschaft den Vampiren; es war die Vampirwelt. Die ungefähr weitere zehntausend
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