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Herr der Finsternis

Herr der Finsternis

Titel: Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Zeug, das ich in den letzten Tagen auf die Registraturlisten eingetragen hatte, und machte es mir in meinem Versteck bequem, um auf den Sonnenaufgang und den Aufbruch zu warten.
    England! Die Heimat!
    Ich dachte, was für eine seltsame Gestalt ich mit meinen Narben, der sonnengebräunten Haut und dem hageren, hohlen Gesicht, das durch meine Abenteuer ganz ausgezehrt war, abgeben würde, wenn ich durch die Straßen meiner Heimatstadt gehen würde. Und ich stellte mir Gespräche mit den Freunden aus meiner Kindheit vor, wie ich ihnen Geschichten von Menschenfressern und riesigen Coccodrillos und den Minen König Salomons erzählen würde. Noch ein paar Stunden, und es würde soweit sein.
    Doch dann hörte ich, wie Ruder das Wasser peitschten, und einen Tumult auf Deck, bei dem Kapitän van Warwyck laut auf holländisch schrie und Portugiesen genauso laut antworteten und keiner den anderen verstand, doch ich verstand alles: daß sie nämlich wußten, daß ich mich davongestohlen hatte, und gekommen waren, um mich zu suchen.
    Wie hatten sie es herausgefunden?
    Ich wußte es nicht. Während der Zwist über mir wütete, machte ich mich klein und kroch in das unzugänglichste Versteck, das ich ausfindig machen konnte. Und dann näherten sich polternde Schritte und Fackeln und der Lärm von Männern, die in der Nähe suchten und stöberten, wobei Warwyck noch immer lamentierte und protestierte, und schließlich leuchtete das Licht in mein Gesicht, und ich sah sechs Portugiesen, alle bewaffnet, die auf mich herabschauten.
    »Hier ist er«, riefen sie. »Der Verräter, der Renegado!«
    Sie zerrten mich auf die Füße. Die Fackeln waren so hell, daß sie mich blendeten, doch als ich meine Augen ein wenig von ihrem harten Glanz abschirmte, sah ich, daß Hauptmann Fernão de Souza persönlich den Trupp anführte und er nun keine bunten Beinkleider, sondern Rüstung und Helm trug, und sein Gesicht war streng und barsch vor Zorn. Und neben ihm stand kein anderer als Gaspar Caldeira de Rodrigues, der mir seit langer Zeit kein schlimmeres Ungemach als verdrossene Blicke aus der Ferne bereitet hatte, sich nun jedoch vor Triumph und unverhohlener Freude aufblähte. Denn er war es – wie ich später erfuhr –, der das Geheimnis meiner Flucht entdeckt hatte, indem er mit einigen Portugiesen aus Kapitän van Warwycks Mannschaft gesprochen hatte – diese Schurken, diese pockennarbigen Hurensöhne! –, die die Vorbereitungen belauscht hatten, mich an Bord des Schiffes zu verstecken. Und er war es, der mich bei Hauptmann de Souza denunziert hatte. So hatte diese Hornisse endlich ihren Stachel in mein Fleisch getrieben, und die Rache war sein, denn um mich war es geschehen.
    Von Sinnen vor Zorn schlug mir Souza mit solch einer Kraft über das Gesicht, daß beinahe mein Genick gebrochen wäre, und schlug mich erneut, was meine Lippe aufplatzen ließ und mich einen Zahn kostete, und nannte mich einen Hund und Verräter und mehr und sagte: »So bezahlst du also unsere Freundlichkeit, mit diesem Verrat? Oh, dafür wirst du selbst bezahlen müssen!« Und als er mit mir fertig war, kam Caldeira de Rodrigues an die Reihe, der es mir überaus hart für den Tod seines Bruders heimzahlte, indem er mich in die Rippen und den Magen schlug, während die anderen mich festhielten, und mich auf andere schändliche Art folterte, so daß mein ganzer Körper mit Blut und Prellungen gezeichnet war.
    Dann wurden mir sowohl die Hände wie auch die Füße gefesselt, und ich wurde auf Deck geschleppt und in das portugiesische Langboot gestoßen. Als wir das Ufer erreichten, warteten dort keine eingeborenen Träger mit Sänften, sondern einige Pferde, und ich wurde über den Rücken eines davon geworfen, als sei ich nichts weiter als ein Sack Bohnen. Sie fesselten mich, und wir ritten in einem solch scharfen Galopp in die Stadt, daß ich glaubte, mir jede einzelne Rippe gebrochen zu haben. Zum Presidio ritten wir, und ich wurde unter vielen Tritten und Schlägen in einen Kerker gebracht.
    Es war das gleiche verdreckte, schändliche Loch, in das man mich nach meiner Ankunft in São Paulo de Luanda geworfen hatte – mich, den kühnen Lotsen, mich, den nützlichen Übersetzer, mich, den heldenhaften Überlebenden von Kafuche Kambaras Massaker, mich, der ich dieses und jenes gewesen war, was nun alles nicht mehr zählte; ich war nun wieder an jenem elenden Punkt angelangt, an dem ich in diesem Land angefangen hatte.
    Ich lag die ganze Nacht schlaflos da, erstaunt

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