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Herr der Finsternis

Herr der Finsternis

Titel: Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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über diese Umkehr meines Schicksals. Und als der Morgen kam, die Zeit des Aufbruchs des holländischen Schiffes, da wußte ich, daß es fort war, obwohl ich den Hafen nicht sehen konnte, und ich verspürte solch einen Schmerz in meinen Eingeweiden, daß er nicht durch die Prügel entstanden sein konnte, die ich bezogen hatte, nay, nicht einmal durch einen Speerstoß. Denn Warwyck und seine Holländer stachen nun in See, und ich war noch immer hier, und all meine Hoffnungen, England wiederzusehen, waren mir genommen, als ich vor ein paar Stunden ergriffen worden war. Dies war der größte Schmerz: dem Ziel so nahe zu sein und dennoch versagt zu haben.
    Was würde nun aus mir werden?
    Am heftigen Zorn des sanften und höflichen Fernão de Souza erkannte ich, daß es nicht gut um mich bestellt war. Ich fragte mich, ob meine Freundschaft mit Don João, so es eine war, mir nun helfen konnte. Denn ich hatte durch meinen Fluchtversuch sein Vertrauen hintergangen. Ich hatte versprochen, ihm zu dienen, und er hatte mich gebraucht, und dann hatte ich mich trotzdem an Bord des holländischen Schiffes geschlichen, und dies mußte ihn verletzt haben. Und doch, und doch, er konnte meine Sehnsucht nach England sicher verstehen. Er war von freundlichem Herz; er mochte mich; man mußte ihm nicht erklären, daß ein Mann, der am Heimweh litt, jede Gelegenheit zur Flucht nutzen würde, gleichgültig, welche Eide er geleistet hatte. Während dieser langen, düsteren Nacht sagte ich mir immer und immer wieder, daß Don João mich am Morgen freilassen, mir nur einen Verweis erteilen und mir dann wieder mein angenehmes Leben unter den Portugiesen ermöglichen würde.
    Doch dann dachte ich, daß es vielleicht nicht so einfach sein würde. Denn ich erinnerte mich daran, wie Don João seine Geliebte Doña Teresa in der Angelegenheit ihres Ehegelübdes getäuscht hatte. So begann ich mich von neuem zu fürchten. Ich hatte das Vertrauen enttäuscht, das er in mich gesetzt hatte: Warum sollte er dann gnädig mit mir umspringen?
    Am Morgen brachte man mir eine Schüssel Wasser und eine Schale mit kaltem Haferschleim und sonst nichts, und niemand kam, um mit mir zu sprechen. Und so war es auch am nächsten Tag und am übernächsten. Es war schlimmer als bei meiner ersten Gefangenschaft in diesem Kerker, denn damals hatte ich die Gesellschaft meines Schiffskameraden Thomas Tomer gehabt, und manchmal war Barbosa gekommen, um mich zu ermutigen, und später Doña Teresa; doch Tomer war schon vor langer Zeit geflohen, Barbosa tot und Doña Teresa zu meiner Feindin geworden, und wer würde nun mein Fürsprecher sein?
    Ich wurde schwächer und litt sehr unter Hunger. Am vierten Tag schepperten die Tore, und es kam ein Priester zu mir, Pater Goncalves, einer der Jesuiten. Ich zitterte vor Schrecken, als ich ihn sah, denn ich wußte, sie hatten die Hoffnung, mich zu ihrem römischen Glauben zu bekehren, schon vor Jahren aufgegeben, und wenn sie mir nun einen Priester schickten, mußte dies bedeuten, daß mich eine schwere Strafe erwartete, vielleicht sogar die Hinrichtung. Und in der Tat zündete er seine Kerzen an, murmelte auf lateinisch vor sich hin und lud mich ein, mit ihm zu beten.
    »Wieso«, sagte ich, »bin ich zum Tode verurteilt worden?«
    »Das weiß ich nicht, mein Sohn«, sagte der Priester in überaus düsterem Tonfall, der den dunklen Schatten des Galgens in meinen Kerker brachte.
    »Es kann doch nicht sein, einen Mann zu erschlagen, nur weil er versucht hat, zu seinem Vaterland zurückzukehren!«
    »Deine Seele ist gefährdet. Füge keine weiteren Sünden hinzu, indem du Lügen murmelst.«
    »Lügen?«
    »Du bist ernster Verbrechen schuldig«, sagte er.
    Woraufhin ich rief: »Ein ernstes Verbrechen? Was? Sich nach seinem Heimatboden zu sehnen, seine Familie wieder sehen zu wollen?«
    »Einer verheirateten Frau deine Gelüste aufzuzwingen ist kein geringes Verbrechen.«
    »Was, habe ich Euch richtig verstanden?«
    »Du wirst der Vergewaltigung beschuldigt, oder willst du es abstreiten?«
    Woraufhin ich begann, lautstark zu protestieren, erzürnt über diesen niederträchtigen und unhaltbaren Angriff auf meine Unschuld. Und dann begann mein Kopf vor Entsetzen zu schwimmen, denn einen Augenblick später begriff ich, welche Frau es war, die vergewaltigt zu haben ich angeklagt war, und was für eine Falle um mich herum gewebt worden war. Und ich fürchtete, daß ich verloren sei.
    »Sprecht die Wahrheit, Priester«, sagte ich, nachdem sich das

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