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Herr der Finsternis

Herr der Finsternis

Titel: Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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glaube ich, zehn Meilen oder ein wenig mehr oberhalb von São Paulo de Luanda. Zu unserer großen Bestürzung sahen wir plötzlich, wie uns ein Trupp berittener Portugiesen folgte, mit einer großen Streitmacht an Negern hinter ihnen. Ich glaube, wir sind durch irgendeinen tragischen Zufall einer außerhalb stationierten Garnison des portugiesischen Heeres über den Weg gelaufen, die in dieser Gegend auf der Suche nach Feinden patrouillierte, und überdies wurden wir fälschlicherweise von ihr noch für Späher eines sich nähernden Heeres gehalten.
    Unsere Gruppe wurde durch dieses Zusammentreffen derart entmutigt, daß sich unsere sieben hasenfüßigen Portugiesen im Unterholz verbargen, sich wie Eichhörnchen in einem Loch zusammenkauerten, wo man sie bestimmt aufgreifen würde. Ich wollte mit den vier Zigeunern fliehen, doch die Soldaten folgten uns so schnell, daß wir kaum ein kleines Wäldchen erreichen konnten. Sobald der portugiesische Hauptmann uns eingeholt hatte, gab er eine Musketensalve in den Wald ab, woraufhin wir uns verloren, denn unter diesem tödlichen Feuer krochen wir hier oder dort entlang und wurden voneinander getrennt.
    Ich lag allein da, in stinkenden Schweiß gehüllt, ansonsten aber unverletzt. Überall um mich herum erklangen die Schreie und Rufe der schwarzen Hilfskräfte, die unbeholfen durch den Wald stoben und sich auf der Suche nach uns gegenseitig zuriefen. Doch es gab so viele von ihnen, daß sie trotz ihrer Ungeschicktheit früher oder später über mich stolpern mußten, und ich malte mir aus, daß mich diese Neger, sollten sie mich hier im Wald finden, auf irgendeine häßliche, barbarische Art und Weise töten und meinen blutigen Leichnam zum Hauptmann der Portugiesen zerren würden, um eine Belohnung zu beanspruchen. Ich glaubte schon, meine Zeit sei gekommen, doch ich zog es vor, in einem sauberen Kampf zu sterben, anstatt von Wilden in irgendeinem dornenreichen Unterholz totgeschlagen oder erwürgt zu werden. In der Meinung, mir sei ein besseres Ende beschert, wenn die Portugiesen es mir bereiteten, stürmte ich schließlich aus dem Wald, die Muskete geladen, bereit, eine gewisse Anzahl von Feinden mit mir zu nehmen.
    Doch der Hauptmann, der glaubte, wir kämen alle zwölf gemeinsam hinaus und ich würde meine Gefährten aus unserer Zuflucht führen, rief mir etwas zu und sagte dann: »Soldat, ich habe die Begnadigung des Gouverneurs; wenn du dich ergibst, wird dir kein Leid geschehen.«
    Ich, der ich meine Muskete bereit hatte, gab dem Hauptmann höchst wahrheitsgetreu zurück, daß ich Engländer sei und sechs Jahre in großem Elend in Masanganu gedient habe; und in Gesellschaft von elf Portugiesen und Zigeunern geflohen und nun allein sei; und anstatt an den Galgen gebracht zu werden, würde ich lieber bei der Verteidigung meiner Freiheit sterben.
    »Nay«, sagte er, »du wirst nicht gehängt werden. Bist du der Piloto Andrew Battell?«
    »Der bin ich.«
    »Händige deine Muskete einem der Soldaten aus, Piloto Battell. Und ich gelobe dir als Ehrenmann und Soldat, daß ich dir wegen deines unbeirrbaren Geistes das Leben retten werde.«
    Dies waren recht edle Worte, wenngleich sie aus dem Mund eines Portugiesen kamen. Ich hielt es für klüger, trotz all meines Mißtrauens gegenüber solchen Verblendungen seinem Schwur zu vertrauen, anstatt ihn fürderhand zurückzuweisen und ruhmreich zu sterben; denn man kann das Sterben, ob es nun ruhmreich oder nicht vonstatten geht, nicht rückgängig machen. So ergab ich mich. Und Ihr werdet nicht erstaunt sein, zu erfahren, daß ich auf diese Art in ein neuerliches Unglück stolperte.
    Der Hauptmann befahl all seinen Soldaten und Negern, das Unterholz abzusuchen und alle von uns lebendig oder tot herauszubringen, was schließlich auch geschah. Dann brachten sie uns zur Stadt São Paulo de Luanda, die in den sechs Jahren, seit ich sie zum letzten Mal gesehen hatte, viel größer und gewiß beträchtlich wohlhabender geworden zu sein schien, und warf mich mit den drei Zigeunern in den Kerker. Dort lag ich viele Monate lang mit einem Eisenkragen um den Hals und großen Gewichten an den Beinen, im gleichen Kerker, den ich zuvor schon gekannt hatte, inmitten der Ratten und Spinnen. Ich wurde nicht gehängt, und insofern erfüllte der Hauptmann sein Versprechen. Doch erneut war ich ein Gefangener in Ketten.
    Alles wird viel einfacher, wenn man darin geübt ist, und ich war mittlerweile ein wahrer Experte im Eingekerkertsein. Ich

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