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Herr der Finsternis

Herr der Finsternis

Titel: Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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es ja manchmal bei Hingerichteten geschehen soll, und daß es keine Möglichkeit gab, irgendeine dieser Schwächen des Fleisches zu verbergen. Ich glaube, ich hatte mehr Angst, mir diese Schande anzutun, als vor dem Sterben selbst.
    Nackt, allein und ohne erteilte Absolution marschierte ich also zwischen zwei Bewaffneten zum Henkersblock.
    Ich schaute mich um.
    »Ich erbitte eure Gnade«, sagte ich, »denn ich bin ein Fremder in diesem Land, und ich wurde von meinen Feinden als Pfand hier zurückgelassen, die hofften, mich auf diese Art und Weise zu beseitigen. Doch ich habe euch kein Unrecht zugefügt, wie ihr alle wißt.«
    Diese Worte brachten mir keine Erwiderung. Einige Ngangas stimmten einen böse klingenden Gesang und eine üble Musik an.
    »Gebt mir nur noch fünf Tage«, sagte ich, wobei ich Schwierigkeiten hatte, meine Stimme zu finden, denn meine Kehle war so trocken wie der Sand Ägyptens und meine Zunge angeschwollen vor Entsetzen, »und meine Gefährten werden zurückkehren und euch alles bringen, was ihr verlangt. Doch wenn ihr mich erschlagt, werden sie über euch herfallen und eine schreckliche Rache üben.«
    Diese Worte erzeugten nur Gelächter bei ihnen, denn sie standen im Gegensatz zu meinem vorherigen Flehen.
    Und daraufhin sagte ich, da ich wußte, daß meine Lage verzweifelt war: »Laßt mich beten und Frieden machen mit meinem Schöpfer, bevor ihr mich erschlagt.«
    Sie bedeuteten mir, daß ich dies durfte. Doch ich konnte in meiner Seele keine Worte zum Gebet finden. Ich war nicht bereit für den Tod, und ich konnte dem Herrn mein Leben und meine Taten noch nicht zusammenfassen, weil ich empfand, mitten aus meinem Weg herausgerissen worden zu sein.
    Weiß Gott, seit ich in dieses Land gekommen war, war ich dem Tode kein Fremder gewesen; doch nun, da er so nahe war, daß ich die Klinge sehen konnte, die meinen Hals durchtrennen und sich in den Block graben würde, auf den mein Kopf fallen würde, konnte ich nicht die Sprache der Gnade sprechen. So stand ich still da, gab vor zu beten und sank schließlich auf die Knie, und in meinem Kopf war nun ein Summen und Dröhnen wie von müßigen Insekten im Wind.
    Als ich sah, daß es sinnlos war, erhob ich mich wieder, stand schlaff da und dachte, daß ich es nicht länger hinaus schieben konnte. Denn Mofarigosat persönlich traf nun ein; er wurde in einer großen Sänfte, die mit Straußenfedern und Leopardenschwänzen reich verziert war, zum Hinrichtungsplatz getragen. Zweifellos hatte man nur auf ihn gewartet und würde das große Ereignis nun prompt vollziehen.
    Doch dann erschien eine andere Gestalt, zu Fuß, außer Atem, und bahnte sich mit hohen, scharfen Schreien den Weg durch die Menge, die daraufhin schnell vor ihm zur Seite wich. Dies war der weißhäutige, rotäugige Mdundu-Hexer Mboma, mein Freund und Lehrmeister. Er war rot angelaufen und erschöpft, als sei er eine lange Strecke gelaufen, er, der so zerbrechlich und von so schwachem Körperbau war. Sie zerrten mich schon zum Henkersblock, der nur ein grobschlächtiger, schwerer Holzklotz war, tief eingekerbt und abgeschabt und mit altem Blut befleckt.
    »Wartet!« rief Mboma. »Laßt ihn los!«
    Die Henker schenkten ihm keine Beachtung, sondern stießen mich vor und zwangen mich nieder, und ihr Meister ergriff seine Waffe.
    »Wartet, sage ich!« rief der Albino erneut und fügte einige Worte in der heiligen Sprache hinzu, die mir unbekannt war.
    Schon hob sich das Schwert.
    Mofarigosat beugte sich auf seinem aus Weiden geflochtenen Thron vor. »Was hat das zu bedeuten?« sagte er.
    »Laßt ihm sein Leben!« sagte Mboma.
    Der Henker sah Mofarigosat an, als wolle er sagen: Laßt uns diese Unterbrechung ignorieren, oh, mein Herr, und mich mit meinem Morgenwerk fortfahren. Doch Mofarigosat gab ihm mit einer kleinsten Bewegung seiner linken Hand ein Zeichen, und dieses winzige Zucken seiner Finger bewahrte mein Leben.
    »Was hat das zu bedeuten?« sagte er erneut zu Mboma.
    Der Hexer trat vor seinen Herrn Mofarigosat und antwortete mit seiner hohen, schrillen Stimme, die kaum fünf Ellen weit zu hören war »Wir dürfen ihn nicht erschlagen, denn seine Portugiesen kommen, mit vielen Kriegern und Musketen, um uns bei unseren Kriegen zu unterstützen.«
    »Ist das sicher?« sagte Mofarigosat stirnrunzelnd.
    »Ich habe die Wahrheit meiner Worte darin erkannt, wie sich der Rauch meines Feuers erhob«, erklärte der ›Ndundu‹. »In sechs Tagen werden sie hier sein.«
    Die obersten Herren,

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