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Herr der Finsternis

Herr der Finsternis

Titel: Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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die gekommen waren, um zu sehen, wie ich einen Kopf kürzer gemacht wurde, und nicht auf dieses Spektakel verzichten wollten, murrten und spuckten aus, doch Mofarigosat und sein Hexer führten ein kurzes Gespräch miteinander, das ich nicht verstehen konnte, und dann bedeutete der Häuptling dem Henker erneut, und diesmal offenkundiger, daß ich zu verschonen sei.
    Ich fiel erneut auf die Knie. Diesmal flogen mir die Gebete nur so zu, eine Flut herzlicher Dankbarkeit, und das betörende Licht der Gnade des Herrn des Allmächtigen erleuchtete meine Seele.
    Der riesige Henker schlich enttäuscht davon, und die Menge löste sich unter viel Gemurmel auf. Mit zitternden Händen sammelte ich meine Kleider ein und bedeckte meine Nacktheit.
    »Ich verdanke dir mein Leben«, sagte ich zu Mboma.
    Doch dieser zuckte nur die Schultern. »Die Botschaft war in den Bildern, die im Rauch entstanden.«
    »Aye«, sagte ich. »Doch du hättest sie falsch deuten oder sie auch ganz ignorieren können. Und das hast du nicht getan.« Dann lachte ich wild auf, wie es einer tut, der unerwartet vom sicheren Verderben zurückgerufen wird, und sagte: »Freund Mboma, näher werde ich dem Rang eines Lords wohl nie kommen. Denn in meinem Land verlieren nur die Hohen Herren den Kopf auf dem Henkersblock, und alle geringeren Männer müssen durch das Hängen oder Verbrennen zum Tode gebracht werden, was viel schlimmer ist, da es länger währt. Und heute morgen war ich mir völlig sicher, daß ich den Tod eines Edelmanns sterben würde. Doch ich glaube, ich würde lieber das Leben eines gemeinen Matrosen leben, wenn ich nur weiterleben kann, als den großartigen Tod eines Herzogs zu sterben. Nicht wahr?«
    Und ich grüßte ihn und schleppte mich zu meiner Hütte zurück, auf Beinen, die so taub waren und derart heftig zitterten, daß es mir vorkam, als würde ich auf zwei hölzernen Stelzen gehen.

9
    Das Orakel des Feuers dieses Hexenmeisters hatte mich an diesem Morgen gerettet. Doch ich hatte weniger Vertrauen in jenes Orakel als die Wilden und faßte den Entschluß, ohne weiteren Verzug aus Mofarigosats Stadt zu fliehen. Vielleicht würde Pinto Dourado in der Tat in sechs Tagen zurückkehren, und doch war ich mir sicher, daß er es nicht tun würde: woraufhin der Henker schließlich doch noch seine Klinge an mir ausprobieren würde. Mboma oder kein Mboma.
    So verbrachte ich diesen Tag in Abgeschiedenheit, dachte über die Ereignisse des Morgens nach und legte allmählich meine Furcht ab, die noch mehrere Stunden nach meiner Rettung in meinen Knochen widergehallt hatte. Es ist wahrlich kein leichtes Unterfangen, zu dem Platz mit dem Henkersblock geführt zu werden und die Klinge des Schwertes zu schauen, und den Schrecken, den dies verursacht, kann man nicht in einem Augenblick abschütteln. Überdies befürchtete ich, alles könne plötzlich umgekehrt werden, indem die Schwarzen wieder zu mir kamen, sagten, Mboma behauptet nun, er habe sich in der Deutung der Bilder im Rauch geirrt, und mir den Kopf abschlugen. Von Zeit zu Zeit drehte ich den Hals, um mich zu vergewissern, daß er noch heil war; und ich stellte mir vor, die Klinge würde sich senken, und fühlte ein eigentümliches Würgen in meinem Adamsapfel, und es sollte noch einige Tage dauern, bevor ich diese zwanghafte Vorstellung aufgeben konnte.
    Als die Nacht kam und sich die Dunkelheit mit ihrer ganzen Tiefe gesenkt hatte es stand kein Mond am Himmel –, erhob ich mich, verließ meine Hütte und schlich mich leise zum Stadtrand. Ich hatte die Muskete mitgenommen und die Munition und das Pulver, das Pinto Dourado mir zurückgelassen hatte, denn die Schwarzen hatten nicht daran gedacht, sie mir abzunehmen, und eine lederne Flasche mit Palmwein, doch sonst nichts.
    Die Stadt war ruhig. Aber als ich an einer Gruppe Hütten vorbeiging, sprang ein Hund auf, bellte und heftete sich an meine Fersen, was einen Wachposten auftauchen ließ, einen großen schwarzen Krieger, der vor mich trat, als wolle er mir den Weg versperren. Ich wagte es nicht, mir die Zeit zu nehmen, mit ihm zu palavern, und so empfahl ich seine Seele Gott, stach mit meinem Messer zu und ging weiter.
    Als ich die Stadt verließ, sah ich nur noch einen anderen Menschen. Doch dies war Mofarigosat, der auf irgendeiner dunklen Prüfung seiner Seele die Stadtgrenzen abschritt. Er erblickte mich nicht. Er ging mit gesenktem Kopf daher, die Hände auf dem Rücken verschränkt und tief in Gedanken verloren, und ich betete darum,

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