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Herr der Finsternis

Herr der Finsternis

Titel: Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Mehl zerstampfen. Es wird Euch wieder zu Kräften bringen.«
    Ich erinnerte mich von Brasilien her an dieses Maniok: eine Pflanze der Indianer, von der ich annahm, daß die Portugiesen sie in Angola eingeführt hatten. Ich hatte sie oft gegessen, ohne daß ich großen Geschmack daran gefunden hätte, doch nun aß ich sie und auch die Brühe, in der sie lag. Der erste Löffel voll gab mir solch einen Appetit, daß ich sofort nach einem zweiten verlangte, doch dies war Unbesonnenheit: als der zweite in meinem Magen eintraf, stieß mir der erste schon sauer auf.
    Ich bedeutete der Frau, die Schüssel beiseite zu stellen. Sie wartete geduldig. Der Krampf ging vorbei, und ich verspürte wieder Hunger und aß mehr, weniger gierig. Dann noch etwas. Ich wartete, dann noch mehr. Und ich fühlte, wie sich mein Magen wieder in einem Krampf zusammenzog, lächelte dankbar und sagte höflich: »Obrigado, Schwester«, was auf portugiesisch danke heißt.
    »Ich bin Doña Teresa da Costa.«
    »Wart Ihr es, die all diese Monate für mich gesorgt hat?«
    »Ich und einige andere. Sie hätten Euch zuerst sterben lassen, doch das erschien zu grausam, und wir kamen, um Euch Medizin zu geben und ein wenig Suppe, wenn Ihr sie essen wolltet.«
    »Ich bin sehr dankbar«, sagte ich erneut. »Wie heißt Euer Orden, Schwester?«
    Sie lachte, ein leises, klingelndes Geräusch. »Ah, nay, ich bin keine Nonne! Ganz und gar keine Nonne!«
    »Und doch dient Ihr im Hospiz?«
    »Es geschah zu meinem Vergnügen«, sagte sie. »Ihr habt einfach großartig ausgesehen, als sie Euch bewußtlos von der Pinasse trugen, mit Euerm goldenen Haar, das lang hinabfiel, und Eurer hellen englischen Haut und allem. Ich hatte noch nie solches Haar und solche Haut gesehen und wollte Euch nicht sterben lassen. Könnt Ihr noch etwas essen?«
    »Ich glaube nicht.«
    »Etwas zu trinken?«
    »Nur etwas Wasser.«
    »Ich werde es holen.«
    Sie war lange Zeit fort. Bevor sie zurückkehrte, fühlte ich, wie das Fieber wieder in mir stieg, und ich wußte, daß ich alles andere als geheilt war; vielleicht stand mein Leben noch immer auf dem Spiel. Ein Zittern schüttelte mich, und als sie zurückkam, drehte ich mich auf die Seite und erleichterte mich von allem, mit dem sie mich gefüttert hatte, in solch peinigenden Krämpfen, daß ich glaubte, ich würde die Eingeweide aus dem Mund spucken, daß sie verheddert neben mir zu liegen kämen. Dann lag ich, so schnell, wie es geschehen war, wieder ruhig da, schweißnaß und zitternd, doch die Hitze war aus meiner Stirn gewichen. Ich bat sie um Verzeihung, daß ich solch eine Ungehörigkeit über sie gebracht hätte, doch sie lachte nur und sagte: »Während Eurer Krankheit hat es Schlimmeres, viel Schlimmeres gegeben.«
    Und als sie mir den Speichel aus dem Gesicht wischte, musterte ich sie näher. Sie war nicht älter als achtzehn, wie ich erkannte, und von außerordentlicher Schönheit. Ihre Augen standen auf diese wundersame Art, die portugiesische Frauen manchmal haben, weit auseinander und waren schmal, ihre Haut war in einem olivenfarbigen Ton tiefdunkel, und das pechschwarze Haar war dick und üppig und fiel in schweren Locken und Rollen. Ihre Lippen waren voll, die Wangen hoch und hervortretend, die Statur königlich.
    »Ich will es mit noch etwas Maniok versuchen«, sagte ich, und diesmal behielt ich es bei mir.
    Sie hieß mich zu schlafen, doch ich erwiderte, ich hätte lange Monate geschlafen und wünschte nun, etwas von dem zu erfahren, was sich in der Welt außerhalb meiner Zelle ereignet hatte. Es sei ein anderer Engländer in São Paulo de Luanda, sagte ich. Wo war er? Konnte er mich nicht besuchen kommen, oder war er in Haft?
    »Ich weiß es nicht«, sagte sie.
    »Sein Name ist Thomas Tomer, und er war bei mir auf der Pinasse, als wir von Masanganu kamen.«
    »Ja, das weiß ich. Er war es, der Euch an Land trug, als Ihr krank wurdet. Doch er weilt jetzt nicht in São Paulo de Luanda.«
    »Ist er nach Masanganu zurückgekehrt?«
    »Ich glaube, er ist geflohen«, sagte sie. »Oder vielleicht umgekommen. Ich weiß nichts von diesem Engländer.«
    Was mich zutiefst betrübte und bekümmerte. Was für eine Flucht konnte ihm möglicherweise gelungen sein? Ich bat sie, Erkundigungen einzuziehen, und das tat sie auch, bekam jedoch nichts heraus. Später erfuhr ich, daß Tomer nicht lange nach unserer Rückkehr von Masanganu verschwunden war, auf eine überaus geheimnisvolle Art und Weise entschwunden. Doch just zu dieser Zeit

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