Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herr der Finsternis

Herr der Finsternis

Titel: Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
Vom Netzwerk:
bedeutet, und ein großer Fluß ist er wirklich; sogar einer der größten der Welt, schätze ich.
    Wir krochen an der Küste entlang, wobei die Landwinde uns schoben, und jeden Abend warfen wir Anker an einem sicheren Ort entweder hinter einem Kap oder in einer Bucht. Auf unserer Reise galt es, ein paar wenige Entscheidungen zu treffen, doch insgesamt hätte auch ein Kind als Lotse dienen können, und daß die Portugiesen von Angola mit dieser Reise gewartet hatten, bis ihnen ein gefangener Engländer die Karten lesen konnte, ließ sie in meiner Achtung nicht steigen.
    Oh, ich blickte mich aufmerksam um und kniff die Augen zusammen, ich holte das Astrolabium hervor und schaute sehr feierlich und maß die Sterne ernst mit dem Kreuzstab und fütterte von Zeit zu Zeit meine Kompaßnadel mit meinem Magnetstein, um seinen Magnetismus aufzuladen. Und ich ließ das Lot hinab und maß die Zeit und ließ Dinge mit der Takelage und den Segeln und den Bulinen anstellen und so weiter. Ich wollte, daß die Portugiesen mich hoch einschätzten.
    Unser Ziel war eine Insel in der Mündung des Zaire, die im Marschbefehl von Don João de Mendoça die Ilha das Calabaças genannt wird, das heißt Kalebassen-Insel. Als ich auf meine Karten schaute, um die äußerste der Inseln in der Flußmündung zu suchen, war diese Insel als Ilheo dos Cavallos Marinhos bezeichnet, was Hippopotamus-Insel bedeutet. Ich sprach Pedro Faleiro darauf an und sagte: »Ich werde jede Insel finden, die ich finden soll, doch ihr bringt lieber etwas Ordnung in eure Namen.«
    Faleiro lächelte. »Es ist die gleiche Insel, Kalebassen oder Hippopotamus. Wir haben dort eine Stadt, von der aus wir unseren Handel betreiben.«
    Ich hatte den Namen schon gehört, Hippopotamus-Insel, doch ich mußte lange in meinem Gedächtnis stöbern, bevor ich ihn fand. Ich erinnerte mich, daß Doña Teresa davon gesprochen hatte. Ihr Vater, hatte sie gesagt, habe dort tapfer gekämpft und sei dort gestorben, als die Jaqqas einmal in das Königreich Kongo eingefallen seien. Ich fragte Faleiro, ob er mir etwas darüber berichten könne, und er sagte: »Das ereignete sich schon vor langer Zeit, bevor ich hergekommen bin. Doch man erzählt sich noch immer Geschichten darüber, um uns an die Raserei der teuflischen Jaqqas zu erinnern.«
    Und er erzählte mir eine Geschichte von solchem Schrecken und solcher Grausamkeit, daß ich an die schlimmsten Berichte aus der Historie erinnert wurde, die ich je gehört hatte, die über die teuflischen Mongolenhorden, die Europa in alten Zeiten überrannt hatten, oder die über die rachsüchtigen Türken oder die über die alten Hunnen, die ganze Provinzen verwüstet hatten. Doch seine Worte klangen noch schlimmer, da sie nicht nur das Töten der Menschen beinhalteten, die sich hier niedergelassen hatten, sondern auch das Verzehren von Menschenfleisch, was diese anderen Unmenschen meines Wissens nicht getan haben.
    Die Jaqqa-Kannibalen, erzählte Faleiro mir, waren aus den Wäldern an der Südwestflanke des Königreichs in den Kongo eingefallen und rasend nördlich zur königlichen Hauptstadt gezogen, São Salvador, die ein gutes Stück vom großen Fluß entfernt landeinwärts liegt. Dies geschah, soweit Faleiro sich erinnern konnte, im Jahre 1568. In diesem Jahr war ich ein Knabe von zehn Jahren, der in Leigh davon träumte, irgendwann einmal zur See zu fahren. Und in dem selbigen Augenblick meiner Kindheit an den friedlichen Themseufern hatten Hunderttausende von Flüchtlingen verzweifelt das Land Kongo durchquert in der Hoffnung, dem mörderischen Hunger der Jaqqas zu entkommen.
    In São Salvador, sagte Faleiro, waren die Jaqqas wie eine Feuerflut eingefallen. Die Stadt war damals groß gewesen, viel prachtvoller, als sie es je wieder sein sollte, und viel größer als São Paulo de Luanda. Sie hatten sie angezündet und jeden, den sie ergreifen konnten, auf schrecklichste Art und Weise ermordet und die Toten aufgestapelt und von ihnen gegessen, bis sie gesättigt waren und vom Menschenfleisch rülpsten. Die Überlebenden suchten ihr Heil in der Flucht. Das Volk von São Salvador, nicht nur der Manikongo oder König und sein gesamter Hof, sondern auch einige Hunderte Portugiesen, die dort lebten, flohen auf das Land und verursachten dort solch eine Verwirrung, wie die Jaqqas selbst sie beinahe nicht schlimmer hätten hervorrufen können, und setzten gewaltige Horden unschuldigen Volkes in Bewegung, die durch den Wald stürmten, bis sie das Ufer des

Weitere Kostenlose Bücher