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Herr der Finsternis

Herr der Finsternis

Titel: Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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wendete durch den Wind und schwang die Pinasse herum und segelte hart am Wind und fühlte, wie die Strömungen unter mir flossen und das Blut in meinen Adern, und rief nach den Markierungen auf meinen Loten, als die Matrosen sie hinabließen. Und zehntausend Meilen Fluß aus dem unbekannten Herzen Afrikas strömte gegen mich an, doch ich gab ihm nicht nach, sondern fuhr weiter und weiter und weiter, bis endlich das Schlimmste hinter mir lag und wir in der Flußmündung waren und uns durch ruhigere Kanäle bewegten.
    Ah, dachte ich. Das ist wahres Segeln! Ich hatte es bisher nicht gekannt.
    Und als wir in die Mündung des Zaire glitten und uns den Weg zwischen Sümpfen und Schlammlöchern und anderen solchen Untiefen suchten und das scharfkantige Gras betrachteten, das dreimal mannshoch wuchs, und die Horden der Coccodrillos, deren Augen wie Smaragde aus ihren langen, alptraumhaften Köpfen in den Sandgruben leuchteten, und den flammenfarbenen Papageienvögeln lauschten, die in den Palmenbäumen standen, und sahen, wie sich ein Hippopotamus aus dem Wasser erhob, das eher wie ein riesiges, rundnasiges Schwein aussah denn wie ein Flußpferd, wie sein Name uns glauben machen will, und sein klaffendes rotes Maul öffnete, als wolle es uns zurück nach Brasilien rülpsen – als ich all diese Dinge sah, fühlte ich, wie sich eine leichte Hand auf meine Schulter legte, und sah mich nicht um, denn ich wußte, daß ich den, dem diese Hand gehörte, nicht sehen würde, und die Hand spannte sich zu einem festen Griff, und mein Vater, der Kapitän Thomas James Battell aus Leigh in Essex, sagte mit einer Stimme, die nur ich vernehmen konnte: »Gut getan, mein Sohn, fürwahr, sehr gut getan.« Und meine Augen wurden feucht vor Stolz, daß ich meines Vaters Sohn und seines Namens würdig war.
    Vor uns lag die Hippopotamus-Insel oder die Kalabassen-Insel, oder wie immer man sie auch nennen will.
    Da ich Faleiros Geschichte von Krieg und Vernichtung noch frisch im Gedächtnis hatte, war ich überrascht, wie friedlich der Ort wirkte. Ich habe wohl erwartet, blutige Leichen am Ufer verstreut zu finden oder eine gewaltige Verwüstung. Doch dies war müßig von mir, da sich all diese Ereignisse zwanzig Jahre in der Vergangenheit zugetragen und sich die Dinge seitdem beruhigt hatten. Es gab einen kleinen Hafen und eine Eingeborenenstadt und eine portugiesische Niederlassung von beträchtlicher Größe, und nach den Turbulenzen des Flusses hielt ich diesen Ort für höchst einladend.
    So setzte ich zum ersten Mal den Fuß ins Königreich Kongo, das einmal das größte Reich dieses Teils von Afrika gewesen war und vielleicht sogar das sagenhafte Land von Prester John im fernen Äthiopien übertroffen hatte, doch nun wegen der Blutrünstigkeit der Jaqqas und der anderen Teufeleien, die die Portugiesen diesem Volk angetan haben, seinen Rang verloren hat. Es war ein helles und offenes Land mit goldgelbem Gras – denn es hatte seit langem nicht mehr geregnet –, über dem feiner Staub wehte. Doch was für ganz Afrika gilt, gilt auch hier: Hinter den offenen Ebenen und hellen, sonnigen Plätzen liegt immer ein Dschungel, und der Dschungel ist immer dunkel, dunkel.
    Dieser erste Geschmack vom Kongo war durchaus angenehm. Ich sah mich auf der Schwelle zu einem Land, das, obwohl schwarz, auf seine Art doch zivilisiert war. In Angola hatte ich wenig gesehen außer São Paulo de Luanda, was ausschließlich eine Siedlung der Portugiesen ist, die diese aus dem Boden gestampft haben, und die Schwarzen, die dort leben, sind von woanders hergekommen, um in den Dienst der weißen Herren gepreßt zu werden. Und auf meiner Reise nach Masanganu hatte ich nur ein paar kleine Dörfer gesehen, von denen ich nur wenig über die Natur des Volkes erfahren hatte. Doch nun hielt ich mich in einer wahren schwarzen Nation auf, was neu für mich war.
    Das Volk des Kongos nennt sich selbst Bakongo und spricht eine Sprache namens Kikongo, die ich im Lauf der Zeit fließend zu beherrschen lernte. Es ernährt sich vom Ackerbau und von bestimmten Handwerken, versteht sich auf das Schmieden von Metallen und die Webkunst und übt den christlichen Glauben aus, wenngleich ich bezeugen kann, daß sein Christentum nur eine dünne Hülle ist, eine Art Mantel aus hehrem heiligem Lack, der das tiefe und befremdliche Heidentum darunter überdeckt. Das Liebesidol, das Doña Teresa mir gegeben hat, ist ein gutes Beispiel dafür. In ihrer Hauptstadt São Salvador, die ich lange nicht

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