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Herr der Krähen

Herr der Krähen

Titel: Herr der Krähen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ngugi wa Thiong
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Präsidenten, die ihn in ihren Palästen mit üppigen Staatsbanketten empfingen. Die westlichen Medien überschlugen sich in ihren Lobeshymnen. Einige nannten ihn „ein Bollwerk gegen den Weltkommunismus“, andere schrieben: „Ein Führer, der sich zu führen nicht fürchtet .“ Auf einer Titelseite prangte die Schlagzeile: EIN AFRIKANISCHER STAATSMANN VON WELTGELTUNG. Zahllos waren die Fotos, die ihn beim Handschlag mit den mächtigsten europäischen und amerikanischen Staatsmännern zeigten.
    Der Herrscher brach dem organisierten Widerstand das Rückgrat, und die Opposition brauchte Jahre, um sich neu zu formieren, die Scherben der Erinnerung einzusammeln und zusammenzusetzen. Sie existierte nur noch im Untergrund oder im Exil, wie im Falle von Luminous Karamu-Mbu-ya-Ituĩka und Yunity Immaculate Mgeuzi-Bila-Shaka, als diese noch mit revolutionären Ideen herumspielten. Gegenüber diesem Untergrund erwies sich der Herrscher als äußerst geschickt, indem er den sich regenden Widerstand mit Zuckerrohr und Peitsche erstickte. Das Zuckerrohr erhielten die Eliten der verschiedenen ethnischen Gruppierungen, wer sich jedoch widersetzte, bekam die Peitsche zu spüren. Seine ganze Liebe aber galt der Armee, wo man seinen dramatisch inszenierten Rücktritt vom Posten des Militär-Pressesprechers noch in guter Erinnerung hatte. Die Militärs hatten mit ihm während des Kolonialismus gedient. Unseren Mann im State House nannten ihn einige Generäle, und der Herrscher erwiderte diese Huldigung, indem er die Nation regelmäßig daran erinnerte, dass allein die Stimmen zählten, die die Armee für ihn abgab.
    Wer nicht von Gier getrieben war, brachte ihn aus der Fassung. Diese Typen, die immer von kollektiver Erlösung statt persönlichem Überleben redeten, konnte er nicht verstehen. Wie sollte man mit diesen Umstürzlern verfahren? Ein Fischer befestigt einen Wurm am Ende der Angelschnur, aber wie soll der Angler den Fisch fangen, wenn der nicht anbeißen will?
    Deshalb konnte er auch nicht begreifen, was die Frauen zu ihrer Tat getrieben hatte. Wenn sie sich an ihn gewandt hätten, um Geld zu bekommen, er hätte ihnen mit Freuden Tausende Burĩ geschenkt. Wenn sie wegen eines Stücks Land zu ihm gekommen wären, er hätte ihr Flehen erhört. Wenn sie vor ihm erschienen wären, um Klage gegen ihre Männer zu führen, die Geld und Zeit in Bars verschwendeten, er hätte sie voller Mitgefühl angehört und eine Rede an die Nation gehalten. Aber sie hatten keine Gunst von ihm erbeten. Er hatte ihnen nichts verweigert. Woher also ihr Bedürfnis, die Nation mit Schande zu überziehen?
    Vor diesem Ereignis hätte der Herrscher noch geschworen, er würde die Frauen durch und durch verstehen. Wie viele Männer, vor allem seine Minister, hatte er in all den Jahren durch den Befehl gedemütigt, ihm ihre Frauen, Töchter oder Geliebten zu schicken? Anfangs hatte er vermutet, die Frauen würden seinen Annäherungsversuchen zumindest etwas Widerstand entgegensetzen. Doch war er immer wieder überrascht, wie sie sich seiner amourösen Annäherung ergaben und sie als Akt persönlicher Anerkennung und Ehre werteten! Manch eine spielte die Entrüstete, wenn sie dem Herrscher das Bett bereiten sollte, doch sobald ihr Mann ihr den Rücken zukehrte, wollte sie gefallen und fühlte sich geschmeichelt, der Macht zu dienen!
    Warum verhielten sich diese Frauen nicht genauso? Wie konnten sie seiner Allmächtigkeit gegenüber so gleichgültig sein? War Rachael nicht ein leuchtendes Beispiel dafür, was er ihnen antun konnte?
    Die Rache ist mein, sprach der Herr. Und war er nicht der Herr aller Frauen in Aburĩria? Doch wie angestrengt er auch darüber nachdachte, er blieb unsicher, was er unternehmen und wo oder bei wem er anfangen sollte, um auf ähnliche Weise Rache zu üben wie bei Rachael. Er war unfähig zu handeln, und die quälenden Gedanken kehrten immer wieder zu der hochverräterischen Schmach von Eldares zurück, bei der die Frauen vor den Augen ausländischer Würdenträger und, was noch schlimmer war, vor der Global-Bank-Delegation Schande über die ganze Nation gebracht hatten.
    Nach der Schmach von Eldares zog sich der Herrscher tagelang zurück. Erfüllt von der Angst, was dieses Schweigen für ihre Zukunft bedeuten könnte, beschäftigte sich jeder einzelne Minister mit strategischen Plänen für die Rettung der eigenen Haut. Einige versuchten, unter dem einen oder anderen Vorwand im State House anzurufen, doch der Herrscher

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