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Herr der Krähen

Herr der Krähen

Titel: Herr der Krähen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ngugi wa Thiong
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Herrscher, um Zeit zu gewinnen, sich wieder zu sammeln.
    Kaniũrũ stand auf. Er warf einen triumphierenden Blick zunächst auf Sikiokuu, dann auf Machokali und schließlich auf Tajirika, und als er sah, wie Tajirika sich vor dem Unbekannten, das auf ihn zukam, angstvoll krümmte, freute er sich noch mehr. Kaniũrũ ergriff die Gelegenheit, um seine Einsetzung als Vorsitzender von Marching to Heaven zu erbitten.
    „In meinem Namen und im Namen aller …“
    „Sprich lieber nur für dich …“ fielen ihm Machokali und Sikiokuu gleichzeitig ins Wort.
    „In Ordnung. In meinem Namen und im Namen aller, die wissen, was es heißt, Patriot zu sein, werde ich wiederholen, was ich neulich gesagt habe. Eure Allmächtige Vortrefflichkeit, Sie werden sich erinnern, dass ich sagte, wenn ein Hurrikan Gott und Ihnen die Hüte vom Kopf wehen würde, ich den Ihren zuerst aufheben würde. Ich weiß, Sie haben uns verboten, Sie mit Gott zu vergleichen, aber, mein Herr und Gebieter, ich kann nicht anders. Asante sana , mein Gott! Ich habe eine winzige Bitte. Darf ich sie vortragen?“
    „Bitte, es sei dir gewährt.“
    „Wie ist es mit dem Stellvertreter von Marching to Heaven?“
    „Er ist weiterhin dem Vorsitzenden unterstellt.“
    „Und wer ist der Vorsitzende?“, fragte Kaniũrũ mit nahezu sicherem Gefühl, aufgefordert zu werden, den Vorsitz zu übernehmen.
    „Vielen Dank für die Nachfrage“, sprach der Herrscher. „Das hätte ich fast vergessen. Ich möchte euch den Gouverneur der Central Bank vorstellen.“
    Alle Augen wandten sich zur Tür, um den neuen Gouverneur zu sehen. Aber niemand kam herein.
    „Titus Tajirika, mein neuer Gouverneur der Central Bank und Ständiger Vorsitzender von Marching to Heaven, bitte erhebe dich und sei hiermit ordnungsgemäß berufen.“
    Sie konnten ihren Ohren kaum trauen. Sogar Tajirika sah zunächst über die Schulter, als stünde dort ein anderer, der genauso hieß. Als er jedoch begriff, dass er gemeint war, sank er vor Demut und Dankbarkeit auf die Knie, während die anderen vor den möglichen Konsequenzen dieser Beförderung zusammenschreckten.
    „Eure Heilige und Allmächtige Vortrefflichkeit“, sagte er ergriffen. „Ich weiß nicht, wie ich Ihnen danken soll. Sie sind ein Gott, der seine gerechte Gnade über uns Sterbliche walten lässt, Hoffnung stiftet, wo Verzweiflung herrscht, und sogar tote Seelen auferstehen lässt. Wie kann ich mich Ihrer Gnade würdig erweisen? Ich erneuere mein Gelöbnis: Für immer und ewig, Ihr Feind ist mein Feind.“
    Kaniũrũ sah die Gelegenheit zu zeigen, dass er seine Beförderung noch mehr schätzte als Tajirika die seine. Er stand auf und sprang in den Ring.
    „Nieder mit den Feinden des Herrschers!“, rief er.
    „Nieder mit allen Feinden des Allmächtigen Herrschers!“, schrie Sikiokuu, um nicht hinter Kaniũrũ zurückzustehen.
    „Nieder mit jedem Feind des Allmächtigsten Herrschers!“, fiel Machokali ein, der auch zum Kreis der Lobhudler gehören wollte.
    Diese Leute mochten nach den sieben Tagen und Nächten, in denen sie immer wieder das Gelöbnis niedergeschrieben hatten, erschöpft sein, aber jetzt, da sie aufgesprungen waren und einander auszustechen versuchten, indem sie ihren Hass auf die Feinde des Herrschers herausbellten, verlieh ihnen ihre Rivalität neue Energie. Sie hätten so weitergemacht, denn jeder fürchtete, nicht das letzte Wort zu haben, aber der Herrscher brüllte sie an: „Nieder mit euch allen“, worauf sie plötzlich alle den Mund hielten und sich zu ihren Stühlen zurückziehen wollten.
    Aber Kaniũrũ, Machokali und Sikiokuu erlaubten sich keinen einzigen Schritt mehr. Wie angewurzelt blieben sie stehen und starrten mit aufgerissenen Augen auf das Schauspiel vor ihnen. Tajirika, A.G. , Kahiga und Njoya drehten sich um, um zu sehen, was sie hatte erstarren lassen.
    „Ehrlich! Haki ya Mungu !“, sollte A.G. später vor seinen Zuhörern beteuern. „Sogar der Herrscher schien erschüttert. Würde euch das nicht genauso gehen, wenn ihr sehen würdet, wie Termiten vor euren Augen auf dem Fußboden und an den Wänden ihre Hügel bauen? Der Herrscher wusste ebenso wie ich: Das war das Werk des Herrn der Krähen …“
    Da sich nun weiße Termiten ekelerregend im Raum vermehrten, konnte der Herrscher die Macht des Herrn der Krähen nicht länger ignorieren. Sie war eine Bedrohung seiner Omnipotenz. Dieser Zauberer hatte ihn beleidigt, indem er ihn als Frau bezeichnete, und sogar behauptet, er sei

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