Herr der Krähen
Christi zur Stelle waren und Satan den Weg versperrten, wenn er zu entkommen versuchte.
Die Medienleute hatten ihre Kameras in Erwartung einer Revolution bereits in den Straßen aufgebaut, in denen es ihrer Meinung nach zu Ausschreitungen kommen könnte und Menschen gesteinigt und Häuser niedergebrannt werden würden. Die Armenviertel hatten noch niemals so viele Fernsehkameras gesehen, die sich für ihr Schicksal interessierten.
Der Herrscher befand sich in Hochstimmung, weil es ihm gelungen war, den Tag der sogenannten Nationalen Selbsterneuerung zur nationalen Geburtstagsfeier umzuwidmen. Indem er den Tag zum Nationalfeiertag ausrief, hatte er dem Aufruf zum Generalstreik die Spitze genommen. Sogar eine Zeitung, von der man nicht behaupten konnte, dass sie die Diktatur enthusiastisch unterstützte, bezeichnete den Herrscher als „vollendeten Politiker“.
Tajirika, der bereits überprüft hatte, dass die Burĩ-Scheine in vier Hubschraubern mit den Aufschriften NORD , SÜD , OST und WEST verstaut worden waren, hatte sich frühzeitig zum Versammlungsort aufgemacht, um alles genau zu beobachten für den Fall, dass seine Einschätzung der Lage erforderlich würde. Nachdem er die Befehlshaber der einzelnen Teilstreitkräfte begrüßt und ihnen alles Gute gewünscht hatte, zog er sich jedoch zurück und suchte sich einen Platz am Rand der Menge. Er wusste, dass der Massenansturm auf das Burĩ-Manna vom Himmel gefährlich werden könnte, und hatte Vinjinia und den Kindern befohlen, sich fernzuhalten.
Sikiokuu hatte das Fluchtauto außerhalb des Versammlungsortes abgestellt. Mit Sonnenbrille und einem Hut, der seine Ohren verdeckte, saß er, ein Mobiltelefon in der Hand, auf dem Fahrersitz und hielt sowohl mit dem State House Verbindung als auch mit seinen angeheuerten Schlägern, die an einem strategisch günstigen Ort in der Nähe der Bühne Stellung bezogen hatten. Auf ein Zeichen hin sollten sie den Herrn der Krähen packen und ihn zu Sikiokuus wartendem Wagen bringen, wo dieser übernehmen würde. Sikiokuu blieb im Auto, lugte aber immer wieder zum Himmel, weil er fürchtete, das Segen verheißende Signal der niedergehenden Burĩ-Scheine zu verpassen.
Kaniũrũ, der den Befehl des Herrschers, dem Zauberer eine Eskorte zur Seite zu stellen, als geheimes Mandat verstand, den Hexenmeister nach seinem Geständnis zur Hölle zu befördern – denn warum sonst sollte sich der Herrscher zwar lang und breit über die Fahrt zur Versammlung auslassen, sich über die Rückfahrt aber ausschweigen? –, hatte eine Gruppe zusammengestellt, die den Herrn der Krähen auf dem Weg zur Bühne beidseitig flankieren sollte. Der offizielle Plan sah vor, dass ein ziviles Polizeifahrzeug den Herrn der Krähen einige Meter von der Stelle entfernt absetzte, an der die Menge begann, und er den restlichen Weg durch die Menge zu Fuß zurückzulegen hatte, nach außen hin ganz ohne Zwang. Doch natürlich würde man ihm klarmachen, dass er von potentiellen Meuchelmördern umgeben war, um ihn von Fluchtgedanken abzubringen. Kaniũrũ behielt seine Absicht, den Herrn der Krähen zu eliminieren, für sich. Seine Leute wussten nur, dass sie den Herrn der Krähen nach dem Geständnis eskortieren und in Kaniũrũs Mercedes verfrachten sollten. Erst dann würde er ihnen sagen, was sie als Nächstes zu tun hatten. Kaniũrũ selbst drängte sich bis zu einer Stelle in Bühnennähe vor, von der aus er alles sehen und hören konnte. Um sich zu beruhigen, strich er immer wieder über die Waffe in seiner Tasche, als wäre sie ein schützender Talisman gegen sämtliche hexerischen Tricks seines Widersachers.
Auch Nyawĩra und ihre Leute befanden sich nahe der Bühne und waren bereit, je nachdem, wie sich der Tag entwickelte, ihren verschiedenen Optionen entsprechend zu handeln.
Und auch die offiziellen Kräfte von Recht und Ordnung, die Armee, waren natürlich anwesend, hatten das gesamte Gelände umstellt und wussten zumeist nicht das Mindeste von den verschiedenen Plänen gegen den Herrn der Krähen. Bis an die Zähne bewaffnet, warteten die Soldaten auf ein Wort ihrer Kommandeure, achteten aber darauf, die Menge nicht zu provozieren.
Religiöse Führer sprachen Gebete und riefen Gott an, den Tag zu segnen, damit alles ein gutes Ende finde; dass dieser Tag der Beginn eines neuen Lebens der Toleranz und Offenheit im Land sein solle und alle Gott furchtlos in unterschiedlichen Zungen verehren und preisen könnten. „E pluribus unum“, sprach einer
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