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Herr der Nacht

Herr der Nacht

Titel: Herr der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanith Lee
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ein Pferd, wie das, von dem du gesprochen hast, das über Wasser laufen kann. Aber ich habe dieser Welt entsagt, um auf der Erde zu leben und kann meinen Gebieter Asrharn nun um nichts mehr bitten.«
    »Sprich diesen fürchterlichen Namen nicht laut aus«, flehte der Fischer in offensichtlicher Furcht und machte dabei ein Zeichen gegen das Böse, während seine Augen glitzerten, wie Augen nur vor äußerstem Entsetzen glitzern, oder vor Lachen. »Aber ich muß dich dies eine fragen. Hat der Dämon dir jemals etwas gegeben, womit du ihn rufen kannst? Denn es gibt geheimnisvolle Andenken, die solche Wesen herbeirufen, ob sie zu kommen wünschen oder nicht.«
    Sogleich stieß Sivesch einen Schrei aus und tastete suchend in seinem Mantel umher. Kurz darauf zog er die kleine Pfeife in der Form eines Schlangenkopfes hervor, die Asrharn ihm zugeworfen hatte, als er zum ersten Mal auf der Erde geblieben war, um die Sonne aufgehen zu sehen.
    »Dies gab er mir«, sagte Sivesch, »und sagte, daß es ihn zu mir hinziehen werde, wo immer ich auch sein möge.«
    »Nun gut dann«, sagte der Fischer. »Aber zitterst du nicht beim Gedanken an seinen Zorn? Oder denkst du, er könnte dich immer noch glimpflich behandeln, nach alledem?«
    »Ich fürchte ihn nicht. Ich kann nur an das Mädchen denken.«
    Bei diesen Worten schien das Gesicht des Fischers für einen Augenblick zu schmelzen, um ein anderes Gesicht dahinter freizugeben, gänzlich aus Eisen. Aber Sivesch sah es nicht; tatsächlich konnte er nichts anderes sehen als seine Träume. Er setzte die Pfeife an die Lippen.
    »Warte!« schrie der Fischer in offenbarem Entsetzen, »laß mich gegangen sein, bevor du bläst. Ich spüre nicht den Wunsch, hier zu stehen, wenn er kommt.«
    Also wartete Sivesch, und der Fischer rannte zur Küste hinunter.
    Vielleicht war es letztendlich eine Probe gewesen, vor die Asrharn Sivesch gestellt hatte. Wenn Sivesch dem Zauber des magischen Schiffes hätte widerstehen können und sich für einen Augenblick seiner Liebe zu Asrharn erinnert hätte und ebenso der Macht, die Asrharn besaß, die ihn so fürchterlich machte in den Augen der Menschen (da die Dämonen sehr eitel waren bezüglich ihrer Schönheit und ihrer Macht), hätte der Prinz möglicherweise auf seine Rache verzichtet? Aber der Zauber, den Asrharn selbst geschaffen hatte, erwies sich als zu mächtig. Sivesch erinnerte sich bloß an sein Verlangen nach dem Mädchen, und in solchen Augenblicken schlug er den Prinz der Dämonen in den Wind. Danach konnte er keine Gnade erwarten.
    Als der alte Mann außer Sicht war – und rannte er nicht sehr schnell für sein Alter? –, setzte Sivesch die Pfeife von neuem an die Lippen und blies.
    Es gab keinen Ton, zumindest keinen, der auf der Erde hätte gehört werden können. Dann war die Luft plötzlich erfüllt von Lärm wie Flügelrauschen, und unten am Strand wirbelte eine Rauchsäule empor. Der Rauch hatte keine bestimmte Form. Asrharn würde sich nie wieder dazu herablassen, Sivesch in der schönen, sterblichen Gestalt zu erscheinen, die Dämonen gewöhnlich annahmen, und die der Grund war, warum sie von Menschen bewundert und verherrlicht wurden.
    Aus dem Rauch kam eine Stimme, die kühl fragte: »Warum hast du mich hierhergerufen? Hast du vergessen, daß wir getrennt sind?«
    »Vergib mir, mein Gebieter, ich bitte nur um eine Sache, und dann will ich um nichts mehr bitten.«
    »Sei dessen gewiß. Du sollst nicht wagen, diese Pfeife ein zweites Mal zu blasen. Was wünschst du dann?«
    »Leihe mir das Pferd aus der Unterwelt, das du mir einst gegeben hast, nur für eine Nacht. Die Stute mit der Mähne wie blauer Dunst, die übers Wasser laufen kann.«
    »Sage niemals, ich sei nicht großzügig«, sagte Asrharns Stimme aus dem Rauch. »Für diese eine Nacht sollst du sie reiten. Sieh, da kommt sie.«
    Und im selben Moment brachen einige der Dünen am Strand auf und es erschien die Dämonenstute, Sand und Erde von ihrem Rücken schüttelnd. Sivesch rief sie voll Freude, und als sie seine Stimme erkannte, trabte sie zu ihm und ließ ihn aufsteigen. Als er zurückblickte, war die Rauchsäule weggeblasen in die Nacht, und der Strand war leer. Da verspürte Sivesch einen Stich aus Schuld und Bedauern; er hatte Asrharn noch nicht einmal gedankt.
    Aber er vergaß bald und saß geduldig am Rand des Meeres auf der Stute, die unter ihm scharrte, voll Begierde, über die Wellen zu laufen, während der Mond aufging und sank und die Sterne glitzerten wie

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