Herr der Nacht
sollst du Ferashin haben, und Ferashin soll die Sonne haben. Aber wenn du fehlst, werde ich deine Seele in der schwärzesten Tiefe der Unterwelt in Ketten legen und dort sollen meine Hunde dich zerreißen, bis dein Leib oben auf der Erde zu Staub zerfallen ist, und noch länger. Und nun willige entweder ein in meinen Handel oder geh. Und ich will dich gehen lassen, ohne dich zu verfolgen, denn du hast mich unterhalten.«
»Es gibt keinen Weg zurück für mich allein, Dunkler Gebieter«, erwiderte Kasir. »Führe mich in deine Stadt und stell mir deine Frage, und ich werde meine Antwort singen so gut ich vermag.«
Auf diese Weise betrat Kasir Druhim Vanaschta, wohin Sterbliche im allgemeinen nicht kamen.
Überall spielte fremdartige Musik, und fremdartige Gerüche erfüllten die Luft. Die Vazdru führten ihn, bis er in Asrharns weitem Saal stand.
Asrharn war sehr zuvorkommend. Er ließ seinem Besucher köstliche Speisen und geheimnisvolle Weine auftragen, und er erklärte ihm, wie dieser Pokal aus Malachit mit Rubinen gefertigt war, wie dieser Teller aus feinstem Glas bestand, wie viele Kerzen in silbernen Wandleuchtern um ihn herum brannten, und die Farbe jedes Vorhangs und das Thema aller Mosaiken auf dem Fußboden. Er sprach auch von den prinzenhaften Vazdru, den ergebenen Eschva, den hübschen Dämonenmännern, wie schön sie waren und wie fein; er beschrieb die Prinzessinnen und die Dienerinnen, die liebliche Form ihrer Brüste, den Wohlgeruch ihrer Haare und Glieder.
Dann geleitete er Kasir durch seinen Palast und unterrichtete ihn von hochgelegenen Plätzen aus, welche Türme im Norden oder Süden glitzerten, und welche Parks im Osten oder Westen ihre Teppiche ausbreiteten. Er erzählte ihm auch von den zahllosen Untertanen seiner Stadt, den unzähligen Pferden in seinen Gärten, dem unschätzbaren Ausmaß seiner Macht und seiner Zauberkraft und seines Wissens. Dies dauerte eine lange Weile, und als er geendet hatte, sagte Asrharn sanft:
»All das besitze ich, Seele des Poeten. Und mehr davon könnte ich haben, so ich wollte. Nun will ich meine Frage stellen, und du sollst mit deinem Lied antworten.«
»Ich bin bereit«, sagte Kasir, und er hörte ringsumher das Rascheln der Vazdru und der Eschva, die warteten.
»Glaubst du«, sagte Asrharn, »es gibt irgend etwas, nachdem ich all dies um mich herum besitze, ohne das ich nicht sein könnte?«
Die Vazdru applaudierten, die Eschva seufzten. Sie konnten keine Antwort sehen, die auf des Prinzen Frage möglich wäre. Aber Kasir beugte den Kopf für einen Augenblick, dann hob er ihn wieder und sang seine Antwort, wie Asrharn ihn geheißen hatte.
Dies aber war der Kern seiner Erwiderung: Trotz all der übernatürlichen Reichtümer Asrharns, ungeachtet des ganzen ewigen Königreichs unter der Erde, gab es etwas, das er nötig hatte. Dies waren die Menschen. »Wir sind dein Spielzeug, deine Belustigung«, erzählte Kasir ihm. »Immer wieder kehrst du zu uns zurück, um unsern Stolz zu brechen, um dein dunkles Lachen zu lachen, wenn du uns einen Streich gespielt hast. Ohne Menschen auf der Erde würde den Dämonen und dem Herrn der Dämonen die Zeit wahrlich lang werden.«
Als sie das hörten, gaben die Vazdru verächtliche Laute von sich, doch Asrharn blieb still. Aber Kasirs Lied war noch nicht zu Ende.
Er sang den Dämonen einen kalten Traum.
Er sang davon, wie eine Pest von den Rändern der Welt her kam und alles sterbliche Leben auslöschte. Nicht ein Mann oder eine Frau blieben übrig, kein Kind, kein Säugling. Keine alten Weiber krümmten sich über ihre Töpfe, keine Prinzen ritten aus zu heldenhaften Abenteuern, keine Armeen führten Krieg, keine schönen Mädchen hielten von ihren Türmen Ausschau und keine kleinen Kinder schrien in ihren Wiegen. Nur der trostlose Wind fuhr wehklagend über die Erde, nur die Gräser bewegten sich. Die Sonne ging auf und unter über vollkommener Leere. Und er sang davon, wie der Prinz der Dämonen in Gestalt eines Nachtadlers umherflog, über die geräuschlosen Städte und die verwüsteten Länder. Nicht ein Licht brannte in einem einzigen Fenster, nicht ein einziges Segel bewegte sich auf den Meeren. Und der Prinz hielt Ausschau nach Menschen. Aber nicht ein edles Herz war übrig, um es zu verderben, nicht ein raubgieriger Juwelier, mit dem man Unheil stiften könnte. Und auf der ganzen weiten Erde blieb nicht eine Zunge übrig, um in Verehrung und Schrecken den Namen Asrharns zu flüstern.
Die Dämonen waren
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