Herr der Nacht
Gesicht pochen ließ, und die Narben, die der Hausierer auf ihren Brüsten und zwischen ihren Schenkeln hinterlassen hatte, schmorten im Feuer. Und in dem Augenblick hörte sie die Glocke in Zojad schlagen, die den Sonnenaufgang verkündete. Was für einen brennenden Strom aus Wut und Freude sie in sich fühlte. Sie lachte laut aus diesem Gefühl des Feuers heraus.
Asrharn hatte die ganze Zeit über sorgfältig nach der Dämmerung Ausschau gehalten, die den Himmel erleuchten würde, aber durch das schwarze Glasdach, das genau wie der Himmel selbst aussah, fiel kein Licht. Als er jedoch eine Glocke hörte, sagte er zu Zorayas: »Ich fühle mich gefesselt von deiner Höflichkeit, Eiserne Lady, aber ich denke, die Sonne ist nah, deren Licht mir Abscheu einflößt. Daher muß ich dich verlassen.«
»Mußt du?« sagte sie und ging zurück zu der Samtschnur und nahm sie in die Hand. »O Asrharn«, sagte sie leise mit lächelnder Stimme, »mein Vater Zoraschad war ein Narr und schätzte sich selbst höher ein als dich, und du hast ihn vernichtet. Ich bin seine Tochter, und in dieser Vernichtung verlor ich mein Geburtsrecht und noch viel mehr. Dank meiner eigenen Kenntnisse in der Zauberei habe ich viele Dinge wiedergewonnen, aber eine Sache konnte ich nicht ändern, und für diese eine Sache will ich am Ende doch eine Gabe von dir erheischen.«
»So sprich!« sagte Asrharn, und diesmal schien er ungeduldig.
»Ich möchte«, sagte Zorayas, »einen der Herren der Finsternis sehen, wie er mit seinem Glanz dem Glanz der Erdensonne entgegentritt.«
Vielleicht irrte sie sich in ihrem siegessicheren Hohn, aber es schien ihr, daß das wundervolle Gesicht Asrharns erblaßte.
»Habe ich dir nicht erzählt«, sagte er, »daß ich die Sonne verabscheue?«
»Verabscheust oder fürchtest , großer Gebieter? Ich glaube, du hast schreckliche Furcht vor ihren Strahlen, die, wenn sie dich berührten, nur noch Staub oder Stein oder irgend etwas anderes Lebloses und Widerliches von dir übrigließen.«
Darauf glitt ein solcher Ausdruck von unheilvollem Schatten über Asrharns Gesicht, daß selbst Zorayas den Atem anhielt.
»Fluchwürdigste aller Frauen, glaubst du, du wirst ungestraft bleiben für deine Anmaßung? Fürchte die Nacht, Närrin, Tochter eines Narren.«
Und er drehte sich um und ging zur verschlossenen Tür.
»Warte!« schrie Zorayas und zog die Samtschnur ein bißchen nach rechts.
Im Dach aus listig gefertigtem Glas öffnete sich ein Spalt, und ein einzelner goldener Strahl schoß wie ein Pfeil in den goldenen Boden. Asrharn hielt inne und starrte darauf, und sein Umhang schlug um ihn aus eigener Willenskraft wie ein zu Tode erschrockener Vogel.
»Ich habe erfahren«, sagte Zorayas sanft, »daß das Licht der Sonne für einen Dämonen, selbst für einen Dämonenprinzen, Tod bedeutet. Ich habe auch erfahren, daß, selbst wenn er sich in Blitzeseile in sein Gebiet begibt, ihn die Strahlen der Sonne dennoch erschlagen werden, wenn er sich hindurchbewegt, und daß, selbst wenn er den Boden aufreißt, um auf diesem Wege in die unteren Länder zu gelangen, Gold nicht ein Metall nach seinem Geschmack ist, und er länger für seine Auflösung braucht. Sollte er also versuchen, die Erde in diesem Pavillon zu öffnen, muß er wegen der Goldziegel im Fußboden langsam arbeiten, während ich mit einem weiteren Zug an der Schnur das Dach weit öffnen kann und die Sonne hereinlassen wie Regen, um ihn damit zu bedecken.«
Niemand weiß, was Asrharn daraufhin sagte oder tat. Vielleicht war es so fürchterlich, daß beim bloßen Niederschreiben die Worte Löcher ins Papier brennen würden, und diejenigen, die sie läsen, würden erblinden. Ohne Zweifel bedrohte er Zorayas mit allen Arten von Schrecken, und zweifellos versicherte sie ihm, daß selbst wenn er sie erschlüge, sie immer noch mit ihrer letzten Kraft das Glas öffnen würde.
Mit der Zeit wurde Asrharn ganz still und stand in der dunklen Hälfte der Kammer, während der Sonnenpfeil vor ihm in den Boden drang. Er war ihrer Gnade ausgeliefert, der Gnade einer Erdenfrau; in gewisser Weise faszinierte ihn der Gedanke eher, als daß er ihn erzürnte. Er sah darin auch mögliche Fluchtwege. Außerdem hatte sie das Glasdach noch nicht geöffnet; dieser Augenblick gehörte dem Genuß ihres Stolzes, und der Stolz der Sterblichen ist oft ihr Verderben.
Nach einer Weile sagte Asrharn in seiner sanftesten und erregendsten Stimme zu ihr: »Du erzähltest mir, Tochter von Zoraschad,
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