Herr der Nacht
daß du viele von den Dingen wiedererlangt hast, die du beim Tod deines Vaters verlorst, alles bis auf eine Sache, die du nicht ändern konntest. Was kann es sein, tapferes und kluges Mädchen, das deine ungeheure Macht nicht einschlösse?«
Aber Zorayas antwortete nicht, sondern spielte nur mit der Samtschnur. Asrharn lächelte. Er wußte sehr wohl, daß seine Stimme, die ihr schmeichelte und sie lobpries, der süßeste Laut war, den sie je gehört hatte, und daß, bei all ihren Rachegedanken, sie gewiß nicht ertragen konnte, ihn gerade jetzt zum Schweigen zu bringen.
»Es ist wohlbekannt«, sagte er daher ganz leise nach einem Augenblick oder so, »daß Dämonen gerne Handel abschließen. Solltest du dich dazu entschließen, dein sinnreiches Dach geschlossen zu halten und mich in mein Königreich zurückkehren zu lassen, könnte ich dir ungeheure Macht anbieten, genug, um selbst ein prächtiges Wesen wie dich zu befriedigen.«
Zorayas lächelte, doch ihr Eisenmund blieb starr.
»Meine Armeen, o Prinz, sind legendär und werden auf der ganzen Erde gemieden. Ich herrsche schon über siebzehn Länder. In einem Jahr könnte ich die doppelte Anzahl beherrschen, wenn ich wollte. Und was meine anderen Mächte angeht, so kostest du sie selbst, nicht wahr?«
»So ist es, weises Mädchen. Ich sehe meinen Irrtum ein. Es ist gewiß auch nutzlos, dir die Reichtümer aus den Minen anzubieten«, sagte Asrharn langsam, »die Rubine und Diamanten und Smaragde im Kern der Erde.«
»Ich habe genug Juwelen«, sagte Zorayas. »Wie du siehst, trage ich keine. Aber ich habe so viele Sklaven gemacht, daß ich in einem Jahr die Anzahl der Edelsteine in meiner Schatzkammer verdreifachen könnte, wenn ich wollte. Sieh hinauf zu den kostbaren Edelsteinen, die du mit Sternen verwechselt hast, o Prinz.«
»Fürwahr, unübertreffliches Mädchen. Es gibt wohl letzten Endes keinen Handel, den ich mit dir abschließen könnte. Du hast alles, wonach sich Sterbliche sehnen: Macht, Zauberkräfte, Reichtum. Doch warum du selbst keine Juwelen trägst, verwundert mich, und ebenso diese Gewohnheit, das Gesicht und die Hände zu maskieren.« Und Asrharn sah, wie Zorayas bei diesen Worten in ihrem Stuhl sich versteifte und ihr Griff um die Samtschnur fester wurde. »Eine Bitte«, sagte Asrharn. »Laß mich, o du Schöne und Edle, wenigstens das Gesicht meiner Überwinderin sehen. Von solcher Schönheit mußt du sein, daß sie selbst die Sonne ausstechen muß, mit der du mich bedrohst, wie sogar deine wunderschönen Augen soeben tun.«
Zorayas stieß einen Schrei aus; er war voller Schmerz und Wut. Das genügte Asrharn; er streckte seine Hand aus, und die Eisenmaske brach mitten durch und fiel in Stücke. Zorayas schauderte, und mit ihrer freien Hand bedeckte sie ihr mißgestaltetes Gesicht.
Asrharn lachte. Selbst in diesem außergewöhnlichen Augenblick arbeitete der Verstand des Prinzen alles andere als simpel. Er fühlte nicht länger irgendeine Feindseligkeit gegenüber der armen, kriechenden, gefährlichen Kreatur auf dem Thron. Er war angenehm herausgefordert durch ihr Wissen, ihre Geschicklichkeit, ihren Wagemut; er sah auch in einer Frau mit solcher Macht und kriegerischen Gedanken eine Möglichkeit, köstliches Unheil in der Welt zu stiften.
»O beste aller Frauen«, sagte Asrharn mit seiner melodischsten und zärtlichsten Stimme, »ich stelle fest, daß es zuletzt doch noch einen Handel gibt, den ich mit dir abschließen könnte. Öffne jetzt das Dach, und ich mag vielleicht aufhören zu sein, und du magst deine Rache haben und wirst dann den Rest deines kurzen Lebens leer verbringen, für immer eingeschlossen in deine Maske. Männer werden sich vor dir verbeugen und in deinen Armeen kämpfen und sich erzählen, wie du Asrharn, einen der Herren der Finsternis, herabgesetzt hast, und in all deinen Tagen wird weder ein Mann noch eine Frau vor Verlangen nach dir zittern, deine Lippen küssen oder von deiner Liebe singen. Du wirst kalt bleiben wie Eis, bis das Grab dich verschlingen wird und der Wurm sein Vergnügen findet, wo du keines hattest.« Als er dies sagte, lief ein Schauder durch das Mädchen, doch ihre Hand an der Samtschnur blieb fest. »Es gibt eine andere Möglichkeit«, sagte Asrharn sacht und kam näher. »Kein Zauber in der Welt kann deine Häßlichkeit heilen, nur ich, ich allein habe die Macht, dich schön zu machen. Schöner noch als du es je erträumt hast, schöner als jede andere Frau der Erde, vor dir oder nach dir.
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