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Herr der zwei Welten

Herr der zwei Welten

Titel: Herr der zwei Welten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sibylle Meyer
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bestand. Aber dann gab es Menschen, die mehr als nur das sahen. Sie gaben ihr Konturen und einen Körper. Doch die Formen, die sie sahen, waren immer verschieden. Je nachdem welche Lebensformen diese Menschen selber kannten. Als Morsena dies zum ersten Mal erfahren hatte, war sie sehr erstaunt gewesen. Sie selbst hatte bis zu diesem Zeitpunkt ja immer geglaubt, sie wäre konturlos. Das erste Mal, als ihr klar wurde, dass sie in den Augen der Menschen Konturen besaß, war allerdings schon lange her. Irgendwann einmal hatte sie, inmitten dieses großen Nichts, das sie umgab, die Bunte Welt entdeckt. Lange Zeit hatte sie die Beobachterin gespielt. Es war eine willkommene Abwechslung. Dann hatte sie beschlossen, sich diese Welt zum Lebensinhalt zu machen. Die Bunte Welt war der erste Lichtblick in ihrer langen Einsamkeit. Einsamkeit? Auch dieses Wort musste sie erst lernen. Denn die Wahrheit war, dass Morsena sich nicht entsinnen konnte, sich irgendwann einmal irgendwie gefühlt zu haben. Sie hatte einfach existiert. Ohne Heute, ohne Morgen, ohne Gedanken. Sie wäre nicht in der Lage auch nur sich selbst zu erklären, was sie getan hatte, bevor sie die Bunte Welt entdeckte. Die Menschen dieser Welt waren es auch schließlich, die ihr ihren Namen verliehen hatten. Sie waren es, die ihr den Namen, ein Geschlecht und überhaupt erst ihre Existenz gegeben hatten. Oder, vielleicht besser gesagt, das Wissen um ihre Existenz! Ein Leben! Auch die Menschen von der Erde, jener Welt, die sie erst viel später entdeckt hatte, hatten ihr einen Namen gegeben. Je nachdem, zu welcher Zeit sie sich offenbarte, hatten sie ihr die verschiedensten Namen gegeben. Auch männliche Namen hatte man ihr gegeben. Man hatte sie, zum Beispiel, auch einmal Apollo genannt. Auch diesen Namen fand sie passend. Aber Zeiten später hatte sie dann begriffen, wer Apollo wirklich war. Er war ein Gott! Das war dann wohl doch ein Irrtum. Denn sie war nicht Gott! Das war eines der wenigen Dinge, deren sie gewiss war: Gott war sie nicht!
    So entschied sie sich dann auch, den Namen Morsena für sich zu behalten. Auch wenn sie manchmal das Gefühl hatte, die Buntländer verbanden damit ähnliche Vorstellungen. Aber wenn sie nicht Gott und auch nicht Morsena war, wer war sie dann? Tief in sich hoffte sie noch immer, dass eines Tages Wesen kommen würden, Wesen wie sie und sie mit sich nahmen, in eine Welt, die sie verstehen konnte. Eine Welt, die die Ihrige war. Dorthin, wohin sie gehörte. Aber bis dahin würde sie die beiden Welten, die so nahe und doch so entfernt voneinander waren, beobachten. Wenn möglich wollte sie auch steuernd einwirken.
    Da war zum einen die Bunte Welt, mit ihren drei, vollkommen verschiedenen Völkern. Da gab es die Blauen, ein nettes Völkchen, das Morsena viel Spaß bereitet hatte. Sie waren immer freundlich zu jedermann. Stets zum Lachen und Feiern bereit. Das zweite Volk waren die Gelben. Auch sie waren Morsena nur als sympathische Menschen bekannt. Aber sie waren nicht gerade sehr redegewandt. Lieber hüllten sie sich in Schweigen. Trotzdem waren sie ein harmonisches Volk, das sich auch ohne viele Worte verstand. Die Gelben waren um vieles größer als die Blauen. Sie hatten eine hellere Haut und trugen andere Kleider. Vermutlich, so dachte Morsena, waren die Kleider der Gelben unbequemer und beschwerlicher. Ihre Welt war grün. Hier wuchsen so viele verschiedene Pflanzen, dass sich die Menschen manchmal nur mit Mühe fortbewegen konnten. Die Pflanzen im Blauen Land standen vereinzelter. Dann gab es da noch die Grünen. Ebenfalls denkende Wesen, die den anderen von ihrer Statur her glichen. Ihre Größe kam an die der Gelben heran. Aber ihre Körper bestanden aus einer ganz anderen Substanz. Da gab es kein Fleisch und keine Knochen. Ihre Körper bestanden aus einer gallertartigen Masse. Dadurch waren sie in der Lage, ihre Erscheinung beliebig zu ändern. Auch brachten sie ihren Nachwuchs anders zu Welt, als die Menschen der anderen Völker. Sie trugen die Embryos in einem Rückensack aus, in welchem der Nachwuchs bis zur Geburt blieb. War der Termin der Geburt nah, so öffnete sich die lederne Haut des Embryosackes und die Neugeborenen fielen zu Boden. Der Sturz konnte ihnen nichts anhaben. Aber, abgesehen von dieser Sonderstellung, waren die Gelben genauso wie die anderen Menschen ihrer Welt. Aber ihre Verhaltensmuster ähnelten trotzdem eher denen der Erdenmenschen.
    Trotzdem: Die Erde, das war eine ganz andere Welt! Ihre Bewohner

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