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Herr: Die Schattenherren 3 (German Edition)

Herr: Die Schattenherren 3 (German Edition)

Titel: Herr: Die Schattenherren 3 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Corvus
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sollte ich den S CHATTENKÖNIG erzürnen?«
    »Davon sprach ich nicht«, beeilte sich Attego. »Vergebt meine Neugier, aber ist dies nicht, was Ihr immer wolltet? Unsichtbar für das Alter zu werden, den Schmerz, die Schwäche?«
    »Ja, das war, was ich immer wollte«, sagte Bren.
    Eine Weile gingen sie schweigend nebeneinander her.
    »Und wollt Ihr es noch immer?«, fragte Attego.
    »Natürlich.« Er horchte diesem Wort nach. Es hatte ein hohles Echo in seiner leeren Brust.
    »Und doch fehlt etwas?«
    »Was weißt du schon?«
    »Nichts. Vergebt mir. Ich hörte nur von der Macht der Erinnerung.«
    Bren schnaubte. »Ein Mythos.«
    Wieder schwiegen sie.
    »Was tragt Ihr in dieser Kiste?«
    Bren sah ihn an, antwortete aber nicht.
    »Niemand bleibt von der Erinnerung verschont, wenn er in die Schatten tritt«, behauptete Attego. »Im Kult haben wir viele Aufzeichnungen darüber. Ich habe sie studiert. Man lehrt, dass es unklug ist, sich zu sehr dagegen zu wehren. Manche erinnern sich an den Geschmack eines Festmahls, andere an Menschen, die ihnen etwas bedeuteten oder den Reiz echter Gefahr auf dem Schlachtfeld. Wieder andere an die Sonne, wie sie sich warm auf die Haut legt, oder Träume von Kindern, die sie hätten gebären oder zeugen können. Die Nachwehen eines Menschenlebens. Sie werden vergehen, aber in den ersten Jahren können sie den Mut eines Unsterblichen tragen wie eine Welle, die an einem Strand ausläuft.«
    »Du redest von Dingen, die du nicht verstehst.«
    Attego verbeugte sich im Gehen. »Wer wäre ich, Euch zu widersprechen? Ihr werdet noch sein wie heute, wenn ich nur noch Staub sein werde, der im Wind treiben wird. Mir schien nur, es könnte Euch gefallen, über diese Dinge zu sprechen. Mit Eurer Erlaubnis werde ich mich zurückziehen, bevor ich Euch erzürne.«
    Bren entließ ihn mit einem Wink.
    Später wanderte er ziellos durch den Palast des S CHATTENKÖNIGS . Inzwischen waren die Gänge von der üblichen Betriebsamkeit erfüllt. Er nutzte sein übermenschliches Gehör, um Begegnungen zu vermeiden.
    Erst als er auf die Turmplattform trat, wurde ihm bewusst, dass er jenen Ort aufgesucht hatte, an dem ihm Lisanne ihr Geschenk überreicht hatte. Kirettas Haken, den er auch jetzt bei sich trug.
    Er stellte die Kiste auf einer Zinne ab, öffnete sie und betrachtete das Sternenlicht, wie es auf dem Stahl glitzerte gleich Essenz, wenn sie ein Opfer verließ. Sein Blick war ungetrübt von Atemdampf. Auch Tränen verwischten ihn nicht. Er fragte sich, ob er geweint hätte, wenn er ein Mensch gewesen wäre. Er hatte nie dazu geneigt, aber er war auch noch nie wirklich verliebt gewesen. Oder wirklich einsam.
    Der Schnee auf der Plattform war unberührt, abgesehen von den Spuren, die er selbst hineingedrückt hatte. Stimmen drangen herauf, sicher hätte er verstehen können, was sie sagten, wenn es ihn interessiert hätte. Stattdessen sah er einem Raben zu, der auf dem böigen Wind segelte.
    Plötzlich überkam ihn eine merkwürdige Sehnsucht nach einfachen menschlichen Wahrnehmungen. Er zitterte, aber nicht vor Kälte, sondern vor Aufregung, weil er keine Kälte mehr empfinden konnte. Er legte seine Kleidung ab, stellte sich nackt in die Nachtluft. Nichts.
    Er dachte an die vergangenen Nächte, auch an die gegenwärtige. Mit Dengor hatte er einen Barbaren zum Befehlshaber seiner Leibgarde gemacht. Er war ein Bronier, und die galten als unberechenbar. Jittara war ihm zuwider, wie sie den Kult mit all ihrer Arroganz verkörperte, die man oberflächlich betrachtet als Hingabe auslegen konnte. Aber sie wäre in der Lage, ihm mit dem Unterricht zu helfen, den sie über Magie zu erteilen vermochte. Und sie würde ihm helfen, obwohl sie ihn vermutlich noch immer verachtete.
    Bren lachte freudlos, als er sich bei dem Wunsch ertappte, er hätte Attego nicht fortgeschickt. Sein Blick, zuvor auf den dunklen Horizont gerichtet, fiel wieder auf den Haken.
    Was hatte er heute zu Jittara gesagt? – »Für mich gibt es Kameraden und Feinde, und dazwischen nur wenig.« Das war schon immer Wunschdenken gewesen.

    Das Wundfieber hatte Kiretta Kraft gekostet, aber es war überstanden. Nalaji hielt sie in einem Heilschlaf. Nur dreimal am Tag holte sie ihre Patientin an den Rand des Wachens, um ihr eine kräftigende Suppe einzuflößen. Selbst dann war sich Kiretta ihrer Umwelt kaum bewusst. Manchmal fantasierte sie, gefangen in ihren Albträumen. Es waren Bilder von Flucht und Schmerz, Angst vor einer übermächtigen

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