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Herr: Die Schattenherren 3 (German Edition)

Herr: Die Schattenherren 3 (German Edition)

Titel: Herr: Die Schattenherren 3 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Corvus
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dutzendweise.
    »Auch für die Markthütten, obwohl sie geschlossen sind«, fügte Ungrann hinzu.
    Nalaji seufzte in sich hinein. Der Gardist versuchte seine Rolle zu spielen, aber die Verunsicherung war unübersehbar.
    »Ist es so offensichtlich, dass ich etwas suche?«, flüsterte Nalaji.
    Offenbar war auch sie nicht mehr so unauffällig wie in ihren besten Tagen. Sie schmunzelte schmerzlich, als sie sich vorstellte, wie es gewesen wäre, wenn sie Narron bei sich gehabt hätten. Hätte er, die Linse vor das Auge geklemmt, tastend über das rissige Holz gestrichen, um ihr beim Suchen zu helfen?
    Die Mondmutter milderte die Schmerzen des Alters, sie dämpfte seine Auswirkungen, beseitigte sie aber nicht gänzlich. Nalajis Augenlicht schien nicht mehr so hell wie noch vor fünf oder gar vor zehn Jahren. Sie konnte noch recht gut lesen, wenn sie eine helle Kerze hatte, aber an diesem trüben, wolkenverhangenen Tag …
    »Also gut, leih mir deine Augen«, sagte sie. Du weißt ohnehin schon zu viel. Es wird uns sehr schaden, wenn du zum Verräter wirst, daran ändert das hier auch nichts mehr.
    Nalaji wich an eine Hauswand zurück, als ein Trupp von zehn Speerträgern nahte. Diese Stadt, Wetograd, war die größte Siedlung seit Orgait. Da hier einige Landstraßen zusammenliefen, wimmelte es von Kriegern, die sich auf den Zug gegen die Fayé vorbereiteten.
    Als die Bewaffneten vorüber waren, führte Nalaji ihre Gefährten zu den Prangern. Drei davon standen unmittelbar hinter dem Stadttor, daneben angespitzte Pfähle, für den Fall, dass den Herren der Sinn einmal nach härteren Strafen stand. Offensichtlich verunsicherte ihr Anblick Ungrann.
    »Hast du selbst einmal jemanden gepfählt?«, fragte sie.
    Er nickte. »Schon bevor die Verurteilten auf den Pfahl kommen, sind sie verloren, Oma. Man benutzt scharfe Messer, um den Ringmuskel am Anus zu zerschneiden, sonst geht der Pfahl nicht hinein. Damit kommt dann aber auch der ganze Dreck in die Wunde, wenn sie …«
    »Ich weiß.« Vor solchen Verletzungen kapitulierte auch die Kunst einer gesegneten Heilerin.
    »Ein schrecklicher Tod«, fuhr Ungrann fort. »Obwohl manche ihn natürlich verdient haben. Dummköpfe zum Beispiel.«
    »Dummköpfe?«
    »Die zu dämlich sind, sich vor einem Osadro zu verbeugen, wenn er ihren Weg kreuzt. Selbst dann, wenn ihm Standarten vorangetragen werden. Solche Idioten werden dumm geboren und sind ihren Familien nur eine Belastung. Gut für alle, wenn sie weg sind.«
    Nalaji runzelte die Stirn. In Ilyjia bemühte man sich, Schwachsinnige so normal wie möglich zu behandeln, solange sie keine Gefahr darstellten. Es galt als Gnade der Mondmutter, wenn einer Familie ein tumbes Kind anvertraut wurde. Aber Ungrann war in Ondrien aufgewachsen. Barmherzigkeit galt hier als Verbrechen. Unmöglich konnte er alles vergessen, was man ihn gelehrt hatte, nur, weil er aus der Garde floh.
    »Schau dir den linken Pfosten am ersten Pranger an«, sagte Nalaji. »Du musst dich etwas bücken. Für mich befindet sich das Zeichen auf Augenhöhe.«
    Ungrann sah nach links, dann nach rechts, versuchte, die gesamte Menge der Vorbeieilenden zu erfassen. Nalaji schloss die Augen, um sie nicht zu verdrehen. Dann lehnte sich Ungrann betont lässig an den Pfosten und tat so, als betrachte er seine rissigen Fingernägel. »Ist das eine Schnitzerei?«, fragte er.
    Nalaji nickte. »Ein Vogel.«
    »Wo soll das denn ein Vogel sein?«
    »Bemühe deine Vorstellungskraft. Die drei Bögen rechts sind die Schwanzfedern. Er hat kurze Flügel, aber einen langen Schnabel. Ein Sonnenvogel.«
    Ungrann runzelte die Stirn und beäugte das Zeichen nun so intensiv, dass er mit der Nase keine Handspanne mehr vom Holz entfernt war.
    Nalaji räusperte sich.
    Ungrann zuckte zurück. »Das könnte tatsächlich ein Sonnenvogel sein«, räumte er murmelnd ein.
    »Es ist einer. Das Zeichen jener, die die Sonne herbeisehnen, weil sie unter den Schatten leiden.«
    Ungrann brauchte drei Herzschläge. »Rebellen?«, fragte er und griff sich sofort an die Lippen, als könne er das Wort noch zurückholen.
    Nalaji schlenderte ein paar Schritte fort und nickte dabei. »So findet man Freunde in einer fremden Stadt. Das nächste Zeichen wartet in der Richtung, die uns der Schnabel weist.«
    »Da habt Ihr doch gerade gesucht!«
    Sie drückte seinen Unterarm, eine Ermahnung dafür, dass er sie falsch angeredet hatte. »Sicher, Enkel , aber meine Augen sind nicht mehr so gut wie deine.«
    »Natürlich nicht,

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