Herr Klee und Herr Feld | Roman
Unterdrückung jeglicher Individualität. Denken Sie an Ihre Fundamentalisten.
Ihre sind besser?
Nein, sagte Moritz, aber es sind nicht so viele.
Für uns in Hebron sind es zu viele!
Das verstehe ich.
Darf ich Sie noch was fragen?
Nur zu.
Glauben Sie, es kommt zu einem Krieg zwischen Israel und dem Iran?
Das Problem ist, dass diese Auseinandersetzung eine eigene Dynamik bekommen hat. Stellen Sie sich vor, Sie haben ein hübsches Haus, auf das Sie mit Recht stolz sind, und plötzlich fällt Ihnen auf, dass ein Nachbar in seinem Garten einen Flammenwerfer baut. Er behauptet zwar gegenüber den anderen Nachbarn, dass er ihn nur für friedliche Zwecke baut, zum Beispiel, um ein Barbecue zu machen, aber erklärt Ihnen gleichzeitig, dass er alles daran setzen wird, Ihr Haus zu zerstören. Was tun Sie?
Ich würde zu ihm gehen und reden. Arafat hat ja auch mit Rabin geredet und Sadat mit Begin.
Das ist zumindest Rabin und Sadat gesundheitlich nicht gut bekommen. Ich glaube nicht, dass man mit einem Größenwahnsinnigen wie Ahmadinedschad einen Vertrag aushandeln kann. Das iranische System braucht das Feindbild des zionistischen Dämons, um von der Unterdrückung abzulenken und seine verfehlte Politik zu rechtfertigen. Genau wie in Gaza. Sie müssen doch zugeben, dass bei den Ölmilliarden alle Iraner gut leben könnten. Tun sie aber nicht, stattdessen investiert man in teure Atomprogramme, angeblich zur Energieversorgung! In einem Land voller Öl, in dem auch noch die Sonne ohne Ende scheint.
Und was tut Israel?, fragte sie.
Ach, Israel ist leicht auszurechnen, es reagiert leider immer, wie alle es erwarten. Wie ein Pawlow’scher Hund eben.
Also, gibt es Krieg?, bohrte sie nach.
Nach den typischen israelischen Reflexen zu urteilen … ja! Nach dem gesunden Menschenverstand: nein!
Gegen Mittag kam Alfred ins Arbeitszimmer seines Bruders und schloss die Tür hinter sich.
Ich glaube, sie hat heute Geburtstag, ich habe vorhin gehört, wie sie einen Anruf bekam und sich für Glückwünsche bedankte.
Warte. Moritz öffnete seinen Schreibtisch. Hier habe ich ja ihre Lohnsteuerkarte.
Er begann, in Unterlagen zu blättern.
Tatsächlich. Heute. Hör zu, unten im Keller ist eine Magnum Grand-Puy Ducasse von 84 , das ist ihr Geburtsjahr. Hol bitte die Flasche rauf und öffne sie. Und heute Abend feiern wir mit ihr.
Tolle Idee.
Als Zamira am Abend mit dem Tablett ins Speisezimmer kam, um Räucherlachs und Kartoffeln zu servieren, war sie überrascht, die Brüder Kleefeld in feierlicher Pose, mit einem Rotweinglas in der Hand, neben dem Tisch stehen zu sehen.
Happy birthday to you, Zamira!, sangen sie unisono.
Sie war fassungslos.
Woher wissen Sie das?
So was vergessen wir nie, meinte Alfred. Hier …
Er zeigte auf das dritte volle Glas.
Lechaim!
Danke.
Sie erhob ihr Glas und alle tranken. Dann entdeckte sie die Magnum.
Sie rief: Sind Sie verrückt.
Neben der Flasche lag ein Umschlag und Moritz sagte:
Das ist für Sie.
Sie nahm den Umschlag und sah hinein.
Nein! Geld? Das kann ich nicht annehmen.
Sie machen uns eine große Freude, meinte Moritz.
Sie ging zu ihm und drückte ihm ein Küsschen auf die Wange.
Und ich lade Sie ins Konzert ein!
So bekam auch Alfred ein Küsschen.
Sie sind die nettesten Menschen, die ich kenne.
Als Alfred am nächsten Morgen in die Küche kam, saß Zamira mit ihrem Smartphone am Tisch und schickte eine SMS . Sie sah aus, als habe sie geweint, deshalb fragte Alfred nach dem Grund ihrer Traurigkeit. Sie wischte sich mit dem Handrücken über die Augen und lächelte.
Nein, ich bin glücklich.
Das freut mich, sagte Alfred und setzte Teewasser auf.
Auf dieser Hochzeit habe ich einen Mann kennengelernt.
Alfred war entsetzt!
Einen Mann, dachte er, sie hat einen Mann kennengelernt! Das klang gar nicht gut. Er sah ihn vor sich: bärtig, mit weißem Kaftan und roter kefiah saß er auf bunten Kissen und rauchte Wasserpfeife. Sie würde seine dritte Frau werden und ihm vier Söhne schenken, die später in den djihad ziehen würden. Alfred versuchte, gelassen zu bleiben, obwohl er innerlich bebte.
Ach ja? Erzählen Sie.
Er kam sich vor wie Zamiras beste Freundin!
Möchten Sie einen Toast?, fragte sie.
Toast! Er war gerade im Begriff, sich von Orgien im Beduinenzelt berichten zu lassen, und sie fragte nach einem Toast!
Gern, also, was ist jetzt mit diesem Mann?
Während sie zum Brotkasten ging, sagte sie:
Er heißt Hamed.
Tatsächlich?, dachte Alfred. So eine
Weitere Kostenlose Bücher