Herr Klee und Herr Feld | Roman
Er schloss mit viel Gefühl die Haube. Dann verbeugte er sich vor Moritz und Alfred und sagte:
Wünsch’ auch eine angenehme Fahrt, wünsch’ ich. Und möchten Sie gut ankommen.
Danke, sagte Moritz und stieg ein.
Als sie an den nächsten Kreisverkehr kamen, von dem aus viele Straßen in alle Richtungen abgingen, sagte Moritz auf einmal:
Im Frühjahr fahren wir nach Polen, was meinst du?
Wieso das?, fragte Alfred.
Warum wohl? Wir fahren nach Neu-Sandez, nach Novy Sacz, wo Onkel David herkommt, und dann forschen wir nach deinen Vorfahren!
Alfred lächelte. Er kannte diesen Mann neben sich schon sein ganzes Leben und war doch immer wieder überrascht.
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25
Alfred stand an der Tür und beobachtete Zamira, die aus dem Taxi stieg. Sie kam mit ihrer Reisetasche die drei Stufen hinauf und fiel Alfred um den Hals.
Herr Klee, ich bin froh, wieder daheim zu sein.
Daheim!, dachte Alfred, ein schönes Wort.
Sie war noch nicht ganz im Haus, als sie fragte:
Wie geht’s Herrn Feld?
Etwas besser.
Haben Sie mir einen Schreck eingejagt am Telefon.
Als wir von Prag zurückkamen, ging es ihm nicht gut. Ich habe sofort Doktor Perlmann gerufen. Der meinte, es sei eine Angina Pectoris.
Ist das schlimm?, fragte sie.
Während sie zu Moritz’ Zimmer gingen, sagte Alfred:
Es fühlt sich jedenfalls schlimm an. Enge in der Brust, Atemnot. Es dauert meist nur ein paar Minuten.
Sie waren am Zimmer angelangt, wo die Tür offen stand und der Patient aufrecht im Bett saß.
Zamira!, rief Moritz, welcome home!
Darf ich Sie drücken?, fragte sie und setzte sich aufs Bett.
Sie müssen mich drücken, sagte Moritz.
Sie nahm ihn in die Arme und er strich ihr übers Haar.
Sie machen uns Sorgen, Herr Feld.
Ich hätte auf jeden Fall mit dem Sterben gewartet, bis Sie wieder zurück sind.
Hören Sie auf mit dem Quatsch.
Gut sehen Sie aus, fand Moritz, wie war’s? Erzählen Sie.
Ja, sagte Alfred, was gibt’s Neues im Nahen Osten?
Er setzte sich dabei in Fannys Louis-Seize-Sessel, der in der Ecke stand.
Na ja, durch Syrien herrscht auch im Libanon angespannte Stimmung, begann Zamira zu berichten. Es kommen viele Flüchtlinge ins Land. Man hat mich beschimpft, weil ich gesagt habe, dass Assad mehr Menschen getötet hat als Israel. Ich habe nicht gesagt, wo ich arbeite.
Wie war die chaßene?, fragte Moritz.
Was ist das?
Die Hochzeit, erklärte Alfred.
Die chaßene war schön. Mein Onkel war supernett, aber mein Cousin war unfreundlich. Ich habe nicht gesagt, dass ich in Scheidung lebe. Dann werde ich nicht angemacht.
War Ihre Mutter auch da?, fragte Moritz.
Zamira nickte.
Ist was?
Möchten Sie, dass ich erzähle, was sie alles machen musste, bevor sie die Reisegenehmigung hatte?
Nein, sagte Alfred und erhob sich, wir können es uns denken und wir entschuldigen uns in aller Form dafür. Übermitteln Sie das bitte auch Ihrer verehrten Frau Mama.
Damit ging er nach draußen.
Herr Klee!
Moritz tätschelte ihre Hand.
Lassen Sie ihn, er leidet immer wie ein Hund, wenn Israel sich schlecht benimmt!
Am Abend erschien Doktor Perlmann. Zamira öffnete ihm die Tür und er verharrte einen Augenblick.
Ah, Zamira, sagte er, Sie sind wieder im Land, Gott sei Dank!
Und während er eintrat:
Wenn Sie nicht da sind, sind die beiden noch unerträglicher!
Sie lachte.
Wie war’s in Kairo?, fragte er.
Beirut, sagte sie.
Tatsächlich? Gut, ich will Ihnen nicht widersprechen. Ich schau mal auf die Intensivstation.
Rufen Sie, wenn ich helfen soll.
Er drehte sich nicht um, als er sagte:
Bleiben Sie bloß weg, sonst steigt sein Blutdruck noch mehr.
Als er an der offenen Tür zum Salon vorbeiging, sah er Alfred im Erker sitzen und über einem Sudoku brüten.
Freddy, sagte der Doktor und blieb in der Tür stehen.
Marian, was ich dich fragen wollte …
Er kam nah an den Arzt heran und sprach leise:
Sag, war es was Körperliches oder …
Er tippte sich an die Stirn.
Nein, es war sicher der Stress. Ihr seid auch meschugge, ihr zwei. Macht in fünf Tagen zweitausend Kilometer. Auf eure alten Tage.
Die meiste Zeit bin ich ja gefahren, sagte Alfred.
Umso schlimmer, meinte Perlmann, dann ist der Stress noch größer!
Du schmock!, sagte Alfred.
Nein, im Ernst, dein Bruder ist achtundsiebzig und auch wenn er äußerlich fit wirkt, so ist alles, was er unternimmt außerhalb der Normalität wohlgemerkt, mit Aufregung verbunden. Er muss sich auf neue Menschen einstellen, auf neue Situationen, und was ihr da unten erlebt
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